Was meint man mit "Wirklichkeit"? Sie scheint etwas sehr Launenhaftes, sehr Unverläßliches zu sein - einmal findet man sie in einer staubigen Landstraße, dann wieder in einem Zeitungsfetzen auf dem Pflaster, dann in einer Narzisse in der Sonne. Sie beleuchtet eine Gruppe in einem Zimmer und prägt eine beiläufige Bemerkung. Sie überwältigt einen, wenn man unter Sternen auf dem Heimweg ist, und macht die schweigende Welt wirklicher als die Welt der Sprache - und dann trifft man sie wieder in einem Bus mitten im Lärm von Piccadilly. Manchmal, so scheint mir, wohnt sie auch in Umrissen, die zu weit von uns entfernt sind, als daß wir ihr Wesen erkennen könnten. Doch was sie auch berührt, das macht sie fest und dauerhaft. Das ist es auch, was übrigbleibt, wenn die Hülle des Tages abgestreift und beiseite geworfen wird; das ist es, was bleibt von vergangener Zeit und von unserem Lieben und Hassen! Nun, der Schriftsteller hat, so denke ich, mehr als andere Menschen die Möglichkeit, in der Gegenwart dieser Wirklichkeit zu leben. - Virginia Woolf
Aufbau-Verlag Berlin und Weimar, 1. Auflage 1987
Mit einem Nachwort von Wolfgang Wicht
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