25 Februar 2021

Otto Nagel: Die weiße Taube oder Das nasse Dreieck


 "Liebe Festjemeinde! Unsa lieba Willem und sein vielliebet Minnekin - der olle schwarze Deibel! - habn heute den Stand ihrer Ehe beschritten un wolln von jetzt an zusammen durch den dicksten Dreck klettern..." Auf der bescheidenen Hochzeitsfeier von Wilhelm Thiele und der schwarzen Minna - alles Stammgäste der Kneipe "Das nasse Dreieck" - bringt der dicke Stern diesen Toast aus und wünscht den beiden Eheleuten Glück auf ihrem ungewissen Weg.
Alle diese Menschen - Deklassierte und aus der Bahn geworfene - gehören zur Masse der Opfer der Weltwirtschaftskrise von 1929. "Das nasse Dreieck", eine Kneipe im Berliner Bezirk Wedding, ist ein Sammelpunkt für die Stadtstreicher, die Fechter und Stromer. Hier finden sie Verständnis, Geborgenheit und einen warmen Kaffee, ehe sie ausziehen, um ihren Lebensunterhalt zu "stoßen". Sie verlangen vom Leben nicht mehr als ein Butterbrot.
In dem Roman erzählt Otto Nagel die Geschichte einer Berliner Kneipe und die wechselvollen Erlebnisse dieser Fallengelassenen mit Sympathie und Klassensolidarität. ,Einer geht vor die Hunde', Wilhelm Thiele, die Zentralfigur des Buches rutscht auf der sozialen Stufenleiter immer tiefer, bis er - allen Bemühungen zum Trotz - an den unerträglichen Verhältnissen scheitert.
Der Roman des bekannten proletarisch-revolutionären Malers wurde 1930 bis 1932 verfaßt. Das Manuskript erfuhr ein wechselvolles Schicksal. Von dem Verleger Bruno Cassirer zum Druck angenommen, wurde das Manuskript bei der Emigration Cassirers 1933 mit ins Ausland genommen. Dort konnte es nicht publiziert werden. Erst 1940 erreichte es auf abenteuerlichen Wegen wieder den Verfasser. Er mußte es bei Freunden verstecken, um es vor dem Griff der Gestapo zu bewahren. 1945, nach der Befreiung tauchte es wieder auf. Jetzt wurde das Manuskript von der Witwe Otto Nagels der Akademie der Künste übergeben, die es unserem Verlag für die Publikation zur Verfügung stellte.
"Die weiße Taube oder Das nasse Dreieck" vermittelt ein faszinierendes Bild der skizzierten Zustände im Berlin der Weltwirtschaftskrise. Der Roman besticht durch seinen Wahrheitsgehalt, seine spannende Handlung und seine poetische Intensivierung.

Mitteldeutscher Verlag Halle-Leipzig 1978, 4. Auflage
Stilistische Eigenheiten des Autors und stellenweise Uneinheitlichkeit in den Termini sind aus dem Manuskript unverändert übernommen worden.

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