25 Februar 2021

Johann Wolfgang von Goethe: Die Wahlverwandtschaften


 Goethes Wahlverwandtschaften: In der Neigung löst der Mensch von der Leidenschaft sich ab. Es ist das Wesensgesetz, welches diese wie jede Ablösung aus der Sphäre des Scheins und den Übergang zum Reiche des Wesens bestimmt, daß allmählich, ja selbst unter einer letzten und äußersten Steigerung des Scheins sich die Wandlung vollzieht. So scheint auch im Heraustreten der Neigung die Leidenschaft mehr noch als früher und völlig zu Liebe zu werden. Leidenschaft und Neigung sind die Elemente der scheinhaften Liebe, die nicht im Versagen des Gefühls, sondern einzig in seiner Ohnmacht von der wahren sich unterschieden zeigt. Und so muß es denn ausgesprochen werden, daß nicht die wahre Liebe es ist, die in Ottilie und Eduard herrscht. Die Liebe wird vollkommen nur, wo sie über die Natur erhoben durch Gottes Walten gerettet wird. So ist das dunkle Ende der Liebe, deren Dämon Eros ist, nicht ein nacktes Scheitern, sondern die wahrhafte Einlösung der tiefsten Unvollkommenheit, welche der Natur des Menschen selber eignet (Walter Benjamin).

Reclams Universal-Bibliothek Band 420, 2. Auflage 1981

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