28 März 2021

Harald Gerlach: Das Graupenhaus


 Das "Graupenhaus" ist ein Heim, im Herbst 1945 für elternlose, verwahrloste Jugendliche gegründet. Doch nicht nur die karge Nahrung und die Kälte in dem alten Schloß machen den Zöglingen die Eingewöhnung schwer.

Aufbau-Verlag Berlin und Weimar
bb Nr. 407



"Die Lüge sitzt mit uns zu Tisch" - wer das eines Mittags schreit, heißt Meisegeier und ist Bewohner des "Graupenhauses". Verwahrloste Halbwüchsige wie er, die im Herbst fünfundvierzig an den Landstraßen Südthüringens aufgelesen werden, wollen in dem ehemaligen Schloß ein Heim finden. Nun tauchen die Zöglinge ihre Löffel mißmutig in die dünnen Graupen. Empörung liegt in der Luft. Wieder sind sie auf sich selbst angewiesen, Ampf, der Gründer des Heims, der ihnen bisher mehr ein Freund als Erzieher war, weiß sich keinen Rat. Sein Traum von glücklichen Kinderseelen scheint gescheitert. Nützer, der beständig große Worte des Neuen im Munde führt, doch Kritik nicht duldet, hat die Leitung an sich gerissen.
Die Jungen aber träumen nicht nur von einer gerechten Welt, sie tun auch einiges: lassen zum Beispiel den edlen Räuber Balthasar auferstehen und helfen auf ihre Art einer gerechten Verteilung der Güter nach. Und sie sind kritisch über die Maßen, weil sie schlechte Erfahrungen gemacht haben. "Den neuen Menschen muß man auf neue Weise schaffen", wird ihnen gesagt, und sie nehmen es wörtlich, lassen sich von einem Nützer nicht täuschen, von dem sie wissen, "daß er so wenig ein Erzieher wie ein Besenstrunkt ist".

Harald Gerlach geht in den Episoden um dieses Heim ein Stück unserer Vergangenheit poetisch und sehr nachdenklich an. Geschichte wird zum eigenwilligen Schlüssel für Gegenwartsverständnis, denn, um wieder mit Meisegeier zu sprechen, "keine Zukunft hat, wer ohne Vergangenheit kommt".

Aufbau-Verlag Berlin und Weimar, 1. Aufl., 1976
Mit einer Nachbemerkung von Wulf Kirsten
Die Graphiken wurden der Mappe "Unstrutland" von Alfred T. Mörstedt entnommen.
Edition Neue Texte

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