06 Mai 2021

50 Novellen der italienischen Renaissance


 "Mein lieber Prior", sagt der Florentiner Berto Folchi, der soeben bei einem Liebesabenteuer unsanft gestört worden ist, "wenn Ihr sie geheimhaltet, erzähle ich Euch die hübscheste Novelle, die sich seit Eurer Geburt zugetragen hat." In dieser Geschichte von Franco Sacchetti, einem italienischen Novellisten des 14. Jahrhunderts, definiert sich die Gattung selbst. Es ist etwas geschehen, mitten unter uns, in einem Dorf bei Florenz, etwas Alltägliches: Zwei lieben sich in einem Weinberg, ein Wanderer hat Durst und will eine Weintraube stehelen; das Zusammentreffen der beiden nicht ungewöhnlolichen Begebnisse löst Überraschung, Schreck und Heiterkeit aus. Das Liebespaar wird gestört, der Dieb geängstigt, das Dorf von seinen Schreien und von Glockengeläut zusammengetrieben - genug Stoff für eine novella, die es verdient, weitererzählt zu werden. Etwas wirklich Geschehenes, dessen Zeugen wir durch Berto sind, wird erzählt, und unser Vergnügen entspringt der unmittelbaren Anteilnahme daran.

                                                                                                       Christine Wolter

Aufbau-Verlag Berlin und Weimar, 1. Auflage 1988
TdW Taschenbibliothek der Weltliteratur
Abbildung: Jacopo Carruci Pontormo "Dame mit Hündchen" (Detail)
Deutsch von Adelbert Keller, E.-A. Nicklas, Caesar Rymarowicz, Alfred Semerau, Albert Wesselski, Egon Wiszniewsky und Christine Wolter

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