14 Mai 2021

James Dickey: Flußfahrt

Ein faszinierendes Erlebnis steht vier Männern einer amerikanischen Kleinstadt bevor, als sie beschließen, ein verlängertes Wochenende für eine wild-romantische Flußfahrt durch die Berglandschaft Georgias zu nutzen. „Man sagt, daß alle besseren Familienväter hin und wieder von so etwas träumen. Aber die meisten legen sich auf die Couch und warten, bis die Anwandlung vorüber ist.“ Lewis, Ed, Bob und Drew sind gutsituierte, unbescholtene, geachtete Bürger in mittleren Jahren. Sie nehmen die vielleicht letzte Möglichkeit eines solchen Abenteuers wahr, bevor das Tal unter einem Stausee begraben wird, an dessen Ufern ein weiteres jener uniformen Ferienparadiese entstehen soll, wie sie so häufig die Schönheit der unberührten Natur verletzen. Mit zwei Wildwasserkanus, Zelten und Schlafsäcken, mit Angelzeug sowie Pfeil und Bogen für die Jagd ausgerüstet, brechen sie auf. Aber so schön und harmonisch diese Flucht aus dem aufreibenden Alltag beginnt, so urplötzlich wandelt sie sich in einen makabren Kampf um Leben und Tod, als die Männer am zweiten Tage von Verbrechern belästigt und erniedrigt werden. Gewalt, Todesangst und sinnloses Blutvergießen bestimmen von nun an die neuen, ungeahnten Gefahren begleitete Talfahrt. Sie fordert nicht nur hohen physischen Einsatz, sondern vor allem moralische Entscheidungen, vor denen die Männer menschlich versagen müssen, weil sie in einem von der bürgerlichen Gesellschaft deformierten ethischen Normensystem aufgewachsen sind, das Selbstsucht und Brutalität über Humanität und Recht stellt.

Der amerikanische Dichter James Dickey hat in diesem nicht nur sprachlich, sondern auch gestalterisch brillanten Romanerstling eine elementarische moralische Konfliktsituation auf die private Ebene verlagert und einen Extremfall konstruiert. Das Werk wurde jedoch zu einem Zeitpunkt konzipiert und veröffentlicht, als das Massaker von Son My befohlen wurde, als unbescholtene, „brave“ US-Bürger gleichsam über Nacht in Vietnam zu bedenkenlosen Killern wurden und „ohne Schaden an ihrer Seele zu nehmen“ in die Heimat zurückkehrten. Angesichts eines solchen zeitpolitischen Hintergrundes gewinnt dieser Roman eine zusätzliche kritische Dimension, auch wenn der Autor letztlich entscheidende Fragen unbeantwortet läßt.

Verlag Volk und Welt Berlin, 1. Auflage 1975
Aus dem Amerikanischen von Jürgen Abel
Schutzumschlag: Axel Bertram, Gruppe 4

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