09 Juni 2021

Dino Buzzati: Die Mauern der Stadt Anagoor

Dino Buzzati (1906 – 1972) gehört heute zu den zeitgenössischen Schriftstellern Italiens, die weit über die Grenzen ihres Landes bekannt sind. (…) Er gilt als Meister der phantastischen Erzählkunst, und um seinen Standort wenigstens in großen Umrissen zu bestimmen, sucht man nach literarischen Verwandten und erinnert dabei an E. T. A. Hoffmann, auch Stevenson, Poe. Man prägte, verleitet von einer nur an der Oberfläche des Stils liegenden Ähnlichkeit, das unkritische Wort vom „italienischen Kafka“, womit man ihn eingeordnet glaubte. Buzzati selbst wehrt sich gegen dieses Wort. Natürlich erfuhr ein solches, nicht in der eindeutigen Alltagswelt beheimatetes Erzählwerk die verschiedensten Deutungsversuche, angefangen bei denen, die dem Vordergrundsgeschehen allzuviel Bedeutung und Aussagekraft zumessen, bis zu den gegensätzlichen, die allzuviel konkret fassbare „Bedeutsamkeiten“ jedem Bild, jeder Szene und Fabel entlocken und sie schön geordnet auf einem roten Erklärungsfaden aufreihen wollen. Die Gefahr des Verkennens aber liegt immer dort nahe, wo man übersieht, dass der Schriftsteller religiöse Erfahrungen gestaltet, dass seine Sicht der Welt die eines zutiefst gläubigen Gemütes ist. (…)

Buzzatis „Unheimlichkeiten“ sind nur Fenster in die Unendlichkeit, die – mag sie zunächst noch so dunkel drohen – für ihn geborgen ist in den Händen Gottes, in die der Mensch sich fallen lassen muss und getrost fallen lassen kann, da ihn Gnade und Barmherzigkeit auffängt und er zur Seligkeit bestimmt ist, wenn er seine Freiheit, sich zwischen Gut und Böse zu entscheiden, richtig genutzt hat. (…)

Sehr geschickt verknüpft Dino Buzzati sein Bemühen, Sinnbilder für metaphysische Gegebenheiten zu schaffen, mit seinem sozialkritischen Anliegen. Seine meisterhaft satirische Novelle „Panik in der der Scala“ zum Beispiel gibt ein nüchternes, schonungsloses Porträt der „großen Gesellschaft“ und ihrer Dolce-vita-Atmosphäre. (…)

So zahlreich seine Erzählungen, so vielfältig die Einfälle seiner Phantasie sind, im Grund sind es immer nur Variationen zu einem einzigen Thema: Der Mensch in seiner ihn bestimmenden Beziehung zur Transzendenz, der Mensch im Angesicht Gottes. (…)

Die Ausführung in allen Einzelheiten können wir ruhig seiner Lust am Fabulieren, seinem Sinn für erregende Spannung, seinem eigenwilligen Humor, auch seiner Neigung zur Ironie und Satire und dem in ihm steckenden unerbittlichen Moralisten zugute halten…

Inhalt:

Einführung (von Elisabeth Antkowiak)

Wenn es dunkelt

Gerichtschronik

Der Hund, der Gott gesehen hatte

Die wachsenden Igel

Die Stimme

Die Bodenkammer

Die fünf Brüder

Ein übermütiger Mensch

Der Mantel

Es fängt mit "A" an

Der Mann, der gesund werden wollte

Menschliche Größe

Die Heiligen

Die Mauern von Anagoor

Quellenangabe


St. Benno Verlag, Leipzig, 1. Auflage, 1968
Reihe religiöser Erzählungen, Band 32
Illustrationen und Einbandgestaltung: Sigrid Huß

 

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