24 Juni 2021

Ernst Ichenhäuser: Wenn einer eine Reise tut


 

IM SCHNELLZUG BERLIN-MÜNCHEN

Mit langgezogenem Dröhnen sauste der Schnellzug Berlin-München über die Geleise. In dem Abteil der 3. Klasse war es hell und gemütlich. Ein dreizehnjähriger Junge saß am Fenster und sah in die vorüberfliegende Landschaft hinaus. Manchmal huschte ein Lächeln über das Gesicht des Jungen, und er strich sich mit der Hand die borstigen strohblonden Haare. Schließlich blieb sein Blick auf seinem Gegenüber, einer umfänglichen, leise schnaufenden Dame haften, und er dachte bei sich: Wenn die wüßte!

Aber die Dame gegenüber wußte nicht. Sie dachte gar nicht daran, etwas zu wissen. Sie war vielmehr damit beschäftigt, mit ihren kurzen, dicken Fingern das Frühstück aus einem hübschen Korb herauszukramen. Das Butterbrotpapier knisterte, und zum Vorschein kamen Brote, belegt mit Schinken, Brote, belegt mit Wurst, und Brote mit Ei. Dazu trank sie aus der Thermosflasche dampfenden Kaffee. Das runde Gesicht glänzte rosig und zufrieden, beim Kauen wackelten ihre Ohrringe, und an den kurzen Fingern glitzerten ein paar mit Steinen geschmückte Ringe.

Der Junge wurde von der fremden Mahlzeit nicht satt, daher zog er ein Paket Stullen heraus. Mit kräftigem Appetit biß er hinein. Von Zeit zu Zeit schnippte er mit dem ....

Kinderbuchverlag Berlin 1960
Illustrationen Ernst Jadzewski
RBB Buch Nr 32

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