20 Juni 2021

William Makepeace Thackeray: Barry Lyndon

Redmond Barry, der sich später Barry Lyndon nennt, hat aller Welt stets seine aristokratische Herkunft gerühmt. Er hatte seinen Charme, sein jugendliches Feuer, die auffallende Eleganz seiner Erscheinung als unübertroffen geschildert ebenso wie die Pracht seiner Equipagen, Parks, Weinkeller, Hundemeuten und seiner Dienerschaft in Irland. Und er hatte auch gern vor Leuten damit geprahlt, die es besser wußten. Zurückschauend erzählt er nun unverblümt sein wechselvolles Geschick, verblendet von der Herrlichkeit seiner Kavalierstugenden: In Liebes- und Ehrenhändel ist er schon mit fünfzehn Jahren verstrickt. Die preußische Armee des illustren Friedrichs II., in die ihn Werber erbarmungslos preßten, behagt dem jungen Burschen noch weniger als zuvor die englische, in die er eintrat, um sich vor den Folgen eines vermeintlichen Mordes und vor seinen Gläubigern zu retten. An den Gefechten des Siebenjährigen Krieges nimmt er als Korporal teil und desertiert schließlich 1765 auf listig einfache Weise aus dem Drill der Berliner Garnison. Auf seinen Reisen durch die europäischen Hauptstädte erwirbt er zweifelhafte Berühmtheit. Liebesabenteuer, Glücksspiele aller Art, wagemutige Duelle, glanzvolle Maskenbälle, Zechgelage und Hetzjagden machen sein Leben aus, das Moralisten naserümpfend verurteilen, romantische Heldenverehrer jedoch schwärmerisch bewundern. Zwar zerschlägt sich im Laufe der Zeit so manches aussichtsreiches Heiratsprojekt in deutschen Herzogtümern und anderswo – aber zuletzt gewinnt Barry doch noch die Hand einer vermögenden englischen Gräfin-Witwe. Nun strebt er nach der Peerswürde für seinen kleinen Sohn, von dem er bald so jammervoll Abschied nehmen muß. Erst das Londoner Schuldgefängnis setzt diesem unruhigen Auf und Ab ein Ende und wird Barry Lyndon zum willkommenen Asyl, aus dem er uns seine Memoiren hinterläßt.

Aus dem Englischen übersetzt von Otto Schmidt
Mit Illustrationen von John Everett Millais und William Ralston und einem Frontispiz
Rütten & Loening Berlin 1984

 

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