20 Juli 2021

Brecht: Ein Lesebuch für unsere Zeit


 Ausschnitt

Ist ein Stück wie „Herr Puntila und sein Knecht Matti“ nach der Vertreibung der Gutsbesitzer bei uns noch aktuell?

Es gibt eine liebenswerte Ungeduld, die auf dem Theater jeweils nur den letzten Stand der Dinge in der Wirklichkeit gestaltet haben will. Warum sich bei einem Gutsbesitzer aufhalten? Sind die Gutsbesitzer nicht vertrieben? Warum einen Proleten wie Matti zeigen? Gibt es nicht jetzt schon aktive Kämpfer? Die Ungeduld ist liebenswert, aber es ist falsch, ihr nachzugehen. Warum kann „Herr Puntila und sein Knecht Matti“ noch als aktuell angesehen werden? Weil man nicht nur aus dem Kampf lernt, sondern auch aus der Geschichte der Kämpfe. Weil die Ablagerungen überwundener Epochen in den Seelen der Menschen noch lange liegen bleiben. Weil im Kampf der Klassen der Sieg auf einem Kampfplatz ausgenutzt werden muß zum Sieg auf einen andern und die Lagen vor dem Sieg ähnliche Züge aufweisen können. Weil das Leben der von ihren Unterdrückern Befreiten eine Zeitlang schwer sein mag wie das aller Pioniere; denn sie haben das System der Unterdrücker gegen ein neues auszuwechseln. Diese und andere Argumente können für die Aktualität von Stücken wie „Herr Puntila und sein Knecht Matti“ vorgebracht werden.

Bertolt Brecht




Aufbau-Verlag Berlin und Weimar 1967

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Wichtiger Hinweis

Seit dem 25. Mai 2018 gilt auch in Deutschland die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO).

Mit der Abgabe eines Kommentars erklärt Ihr euch einverstanden, dass personenbezogene Daten (z.B. IP-Adresse, Standort des Logins etc.) eventuell abgespeichert und für Statistiken von Google weiterverarbeitet werden.

Beim Absenden eines Kommentars für weitere Benachrichtigungen auf Folgekommentare erklärt ihr euch ebenfalls einverstanden, dass personenbezogene Daten (z.B. IP-Adresse, Standort des Logins etc.) abgespeichert werden.