23 August 2021

Alexandre Dumas: Das Halsband der Königin

 Alexandre Dumas der Ältere hat so viele historische Romane geschrieben, daß man ihre genaue Zahl nicht weiß. Die Zeit Napoleons hatten die Nachlebenden sich zu Legenden verklärt, die Wirklichkeit empfand man als die der „verlorenen Illusionen“; wie sehr man nach dem Wunderbaren lechzte, beweisen die Massenerfolge Dumas‘. Die Zeitungsverleger hatten als unfehlbares Mittel, ihre Auflagen zu steigern, den Fortsetzungsroman soeben entdeckt, und kein Autor steigerte sie unfehlbar wie Dumas. Er hätte am liebsten die ganze Weltgeschichte in eine Romankette verwandelt. Man sieht – und denkt an Balzac -, die gigantischen Pläne waren damals nicht einmalig. Mit den Eigenschaften seiner prachtvollen Musketiere selber begabt, dazu mit sicherem Theaterinstinkt und gewaltiger Arbeitskraft, der einige gute literarische Mitarbeiter assistierten – so inszenierte er immerhin die französische Geschichte. „Es ist eine Geschichte, die nicht ganz wahrheitsgetreu, aber auch nicht ganz falsch ist, und sie ist in jedem Augenblick wunderbar dramatisch“ (André Maurois in „Die drei Dumas“).

Die Halsbandaffäre, die in der Tat die Vorgeschichte der Revolution eröffnete und seit der man, laut Napoleon, den Tod der Königin hat voraussehen können, wird mit einer schmerzlichen Liebesgeschichte verbunden, und Marie-Antoinette erscheint weniger als die allzu leichtfertige Herrscherin, die sie war, denn als eine unglückliche Frau. Cagliostro alias Joseph Balsamo, der dem Leser aus dem ersten Band dieser Romanfolge („Der Ratschluß des Magiers“) bekannt ist und der in Wirklichkeit ein Scharlatan war, wirkt im Hintergrund als geheimnisvoller Lenker der Geschicke und geschworener Diener der Geschichte. Im übrigen stimmen die Ereignisse ungefähr mit der Historie überein. Die Abenteurerin Jeanne de La Motte, die Königin, der Juwelier Boehmer, der Kardinal Louis de Rohan, der Fälscher Réteaux de Villette, das Mädchen Oliva waren nach den überlieferten Prozeßakten tatsächlich und etwa in der dargestellten Weise Akteure in diesem Kriminalfall. Wo Dumas vornehmlich aus kommerziellen Gründen – er bezog hohes Zeilenhonorar – seine Handlung allzusehr gedehnt hat, haben wir ein wenig „Luft herausgelassen“, damit auch das moderne Publikum mit André Maurois sagen kann: „Regt Dumas zum Denken an? Selten. Zum Träumen? Nie. Zum Weiterlesen immer.“

Aufbau-Verlag Berlin und Weimar, 1981
Bearbeitet und übersetzt von Christel Gersch
bb 476

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