Das starke und eigenwillige Talent, das in seinen Anfängen mit dem Erstling Ruhm gewann und zur vollen Höhe seiner Möglichkeiten aufstieg, dass dann Jahr um Jahr Novellen und Romane ausschüttete, ein Buch immer reifer, immer schöner als das andere, das im Exil dasjenige Werk über Hitlerdeutschland schuf, das für immer die tiefste, genaueste Dokumentation aus der Schreckenszeit bleiben wird, Anna Seghers, die in ihrem Heimkehrergepäck den großen zeitgeschichtlichen Roman "Die Toten bleiben jung" mitbrachte, hat mit ihrem Roman über die DDR - sehr zutreffend "Die Entscheidung" betitelt - einen schwerwiegenden Gegenwartsroman geschaffen, der sich in Kürze durchsetzen wird.
Dieses Buch, das das ganze große Können der Seghers und die Arbeitskraft von Jahren brauchte, um zu entstehen, vermag jahrelanger Forschung Stoff zu geben. Eine Unzahl neuartiger ideologischer wie künstlerischer Probleme wirft es auf. zugleich steht es mit einem Bestreben, große Massen in Bewegung vorzuführen durch die Bündelung mannigfacher Einzelhandlungen und durch den Wechsel zahlloser Schicksale und Situationen, mitten in der heutigen weltliterarischen Fortentwicklung der Gattung Roman. Anna Seghers' Roman über das Leben in der Deutschen Demokratischen Republik führt in seinen Handlungsverknüpfungen weit über die Grenzen Europas hinaus, wie ja auch das wirkliche Leben dieses Staates und seiner Gesellschaft fortwährend von den maßgebenden Ereignissen der Weltpolitik und der internationalen Auseinandersetzung der Klassen berührt wird. Eine vollständige, wahre Welt voll ernster und bunter Geschehnisse führt das Buch vor. Mit mehr als achtzig Personen - sei es hier bei uns oder im Westen Deutschlands, in Mexiko, in Spanien - muß sich der Leser befreunden oder verfeinden. Wir können sicher sein, daß unsere Menschen sich deren Begebnisse mit der gleichen Nachdenklichkeit zu Herzen nehmen werden wie die Erfahrungen, die sie aus ihrem eigenen Leben ziehn.
Annemarie Auer, "Neue Deutsche Literatur", September/Oktober 1959
Hier ist er, der bedeutende Roman über die Entwicklung in Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg. Anna Seghers‘ Roman „Die Entscheidung“ hat das ideologische und künstlerische Format, das ihn zu einem Meilenstein in der Entwicklung unserer sozialistischen Literatur werden läßt.
Sonntag, Berlin
Mit ihrem jüngsten Werk setzt Anna Seghers die literarische Gestaltung unserer Epoche fest. Sie beginnt, wo ihr letztes großes Buch „Die Toten bleiben jung“ endet. Wenn spätere Generationen erfahren wollen, wie in Deutschland das Alte starb und das Neue heranwuchs, werden sie vor allem auch den Roman „Die Entscheidung“ in die Hand nehmen.
Berliner Zeitung
Aufbau-Verlag Berlin 1961
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