In seiner Doktorarbeit hatte er in brillanter Weise ein astronomisches Thema behandelt und sich mit seinem 1911 erschienenen Buch "Thermodynamik der Atmosphäre" als Meteorologe vorgestellt, als er am 6.12.1912 mit der kühnen Hypothese vor die in Frankfurt am Main tagende Hauptversammlung der geologischen Vereinigung trat, nach der die Festländer so "fest" gar nicht wären und sich ihre Lage im Verlauf der Erdgeschichte verschiebe. Er wurde als "Nichtfachmann" nicht ernstgenommen, ja von manchem sogar verhöhnt. Es bedurfte der wissenschaftlichen Erkenntnisse unserer Tage, um die Richtigkeit von Wegeners "Kontinentalverschiebungstheorie" zu beweisen.
Selbst in Fachkreisen ist es wenig bekannt, daß Alfred Wegener aus scharfsinnigen Experimenten Gedanken über die Entstehung der Mondkrater durch Meteoriteneinschlag entwickelte und aus ihnen Vorstellungen über die Entstehung des Mondes und der Erde formulierte, die im Kern wesensgleich mit heutigen Kenntnissen sind. Vier Grönlandexpeditionen boten Alfred Wegener ungelöste wissenschaftliche Aufgaben, ja Abenteuer. Kurz entschlossen hatte er sich als Meteorologe und Physiker um Teilnahme an der Expedition des dänischen Polarforschers Ludvig Mylius-Erichsen beworben und war angenommen worden. Auf dieser seiner ersten Grönland-Expedition schrieb Wegener am 25.12.1906: "Hier draußen gibt es Arbeit, die des Mannes wert ist, hier gewinnt das Leben Inhalt. Mögen Schwächlinge daheim bleiben und alle Theorien der Welt auswendig lernen, hier draußen Auge in Auge der Natur gegenüberstehen und seinen Scharfsinn an ihren Rätseln erproben, das gibt dem Leben einen ganz ungeahnten Inhalt.
Die von Ulrich Wutzke verfaßte Biographie entwirft ein in seinem Detailreichtum fesselndes Bild eines Forscherlebens, dessen wichtigste Stationen Berlin, Marburg, Hamburg und Graz waren. Der Autor hatte Gelegenheit, diese Stationen zu besuchen und an Ort und Stelle zu recherchieren, ja, mit Zeitgenossen Wegeners zu sprechen, die ihn gekannt und erlebt haben, mit Expeditionsteilnehmern, seiner Witwe und seinen Töchtern. Gleichermaßen mit Akribie und Wärme zeichnet Ulrich Wutzke den Lebensweg eines sympathischen, fleißigen Menschen, der immer an der Verbesserung seiner Theorien arbeitete. Durch seinen tragischen Tod im Grönlandeis hat Wegener den Triumph seiner Theorien nicht mehr erleben können.
VEB F.A. Brockhaus Verlag Leipzig, 1. Auflage 1988
Reihe: Pioniere der Menschheit Hervorragende Forscher und Entdecker, Herausgegeben von Dr. sc. Wolfgang Genschorek (Leipzig)
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