08 Februar 2022

Peter Hacks: Essais

Peter Hacks (geb. 1928): Kunst lebt von den Fehlern der Welt. Ob sie uns lachen oder weinen macht, wir belachen oder beweinen Abschaffenswertes. Ob sie die Welt schön abbildet oder häßlich, sie fordert den Vergleich mit der häßlichen Realität. Das begeistertste Lobgedicht hat seinen Pfeffer daher, daß es den Tadel am Unrühmlichen impliziert. Jedes Kunstwerk ist auf seine eigentümliche Weise vollkommen, und Vollkommenheit, weiß man doch, ist die Schwester der Langeweile. Ästhetische Vollkommenheit aber ist nicht langweilig, sondern eine Beleidigung des Universums.

So ist alle Kunst kritisch, selbst die kritische, bei der freilich die inhaltliche Opposition zu leicht die poetische überlagert. Gerade die allgemeinsten Züge des künstlerischen Tuns, das Vermenschlichen des Stoffs, das Erzeugen von Nichtgewesenem, das Befolgen selbstgegebener Gesetze, das In-den-Griff-Kriegen des Störrischen und Stimmigmachen des Widerstreitenden bewirken das Interesse, das die Menschheit nicht aufhört, an der Kunst zu nehmen: als an dem Vorschlag eines unentfremdeten, produktiven, freien, bewältigten, durch gegenwirkende Interessen nicht mehr entzweiten Lebens.

 Reclams Universal-Bibliothek Band 999, 1. Auflage

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Wichtiger Hinweis

Seit dem 25. Mai 2018 gilt auch in Deutschland die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO).

Mit der Abgabe eines Kommentars erklärt Ihr euch einverstanden, dass personenbezogene Daten (z.B. IP-Adresse, Standort des Logins etc.) eventuell abgespeichert und für Statistiken von Google weiterverarbeitet werden.

Beim Absenden eines Kommentars für weitere Benachrichtigungen auf Folgekommentare erklärt ihr euch ebenfalls einverstanden, dass personenbezogene Daten (z.B. IP-Adresse, Standort des Logins etc.) abgespeichert werden.