20 Oktober 2022

Helmut Baldauf (Hrsg.): Das unbestechliche Gedächtnis Schriftsteller über Weltliteratur

„Dieses unbestechliche Gedächtnis, das nur bewahrt, was vielen Menschen von Nutzen ist und niemandes Verwaltung untersteht und uns allen gehört“ – so verstanden, wird Weltliteratur zu einem unerschöpflichen Reservoir menschlicher Möglichkeiten, eine ständige Herausforderung an ihre Leser.

Einundzwanzig DDR-Schriftsteller äußern sich über Dichter und Werke der modernen Weltliteratur – u. a. über Isaac Bashevis Singer, Albert Camus, Thomas Mann, James Joyce, Pablo Neruda, Jorge Luis Borges, Juri Trifonow, Anton Tschechow, Jaroslav Hašek, Ernst Toller, Anna Seghers, Odysseas Elytis – und aktivieren auf sehr verschiedene Weise einzelne Schichten dieses Gedächtnisses der Menschheit. Nachhaltige Leseerlebnisse regen die Autoren zu intensiver Beschäftigung mit dem jeweiligen Dichter an. In der literarischen Vertiefung stoßen sie immer wieder auf eigene Lebensfragen und denken darüber nach, wie sich menschliches Sein in der heutigen Welt bewahren kann. Das Zusammentreffen der Individualität des Autors mit dem künstlerischen Reichtum des Werkes öffnet die Möglichkeit natürlicher menschlicher Kommunikation, in der es Erschütterung gibt und Bereicherung, in der man nach Orientierung und Genuß sucht. Die Vielstimmigkeit der hier geäußerten Meinungen ist ein Angebot zur Diskussion, die der Leser mit seiner Stimme bereichern kann.

Buchanfang

Karl Heinz Berger

Ein exakt beschriebenes Leben

Über Ludwig Renn

Sich an Ludwig Renn zu erinnern bedeutet, an einen weiten Weg zu erinnern, der durch die Länder der Erde und durch die Kriege und durch die Kämpfe der Klassen führte; sich an Ludwig Renn zu erinnern bedeutet auch, sich an den Mann zu erinnern, der diesen Weg in über neunzig Jahren gegangen ist, in Würde und stets engagiert für das, was er als notwendig ansah und das zu fördern er für seine Pflicht hielt. Es ist ein gut dokumentierter Weg überdies, wobei gut dokumentiert sowohl bedeutet, daß es zu ihm reichlich Material gibt, als auch, daß er von einem guten Dokumentaristen belegt ist, eigentlich von dem besten, der sich vorstellen läßt: von dem Mann selbst, der ihn gegangen ist.

Ich habe nur einmal eine Unterhaltung mit ihm gehabt – er war damals schon über das achtzigste Jahr hinaus (was man ihm beileibe nicht ansah), in seinem Kaulsdorfer Haus und bei einer Kanne Tee und Gebäck. Es ging um die Adaption eines seiner Werke für das Fernsehen, und alle Befürchtung, er könnte bei seinem Alter nicht mehr die rechte Anteilnahme dem Unterfangen von – für ihn jungen – Leuten aufbringen, die ein Stück Vergangenheit anhand seines Erlebens nacherlebbar machen wollten, erwies sich zumindest als voreilig. Er war „dabei“, nicht nur, indem er Interesse an unserem Vorhaben zeigte, vielmehr noch dadurch, daß er Ratschläge gab – unaufdringlich und ohne auf seiner Meinung zu beharren, also ein wirklicher Ratgeber war, der sich auch aufs Detail einließ.

Inhalt

Karl Heinz Berger

Ein exakt beschriebenes Leben. Über Ludwig Renn ..... 5

Klaus Beuchler

Sprachvirtuos und Spielemacher. Leseerlebnis mit Ulrich Becher ..... 11

Günther Deicke

Das dringt ins Gedächtnis. Einleitungsvortrag zu einem Eminescu-Abend ..... 16

Wolfgang Eckert

Bin ich ein Verehrer Jaroslav Hašeks? Über den Autor des braven Soldaten Schwejk ..... 21

Rolf Floß

Von weither nach weithin. Über Juri Trifonow 2..... 8

Uwe Grüning

Der Gott des Labyrinths. Über Jorge Luis Borges ..... 34

Helmut Hauptmann

Die fast verschwiegene Nuance. Über Anna Seghers. ..... 42

Heinz Kablau

Einer von ihnen: Arghezi. Über einen rumänischen Dichter ..... 48

Walter Kaufmann

Der waghalsige junge Mann auf dem fliegenden Trapez. Über William Saroyan ..... 56

Rainer Kerndl

Zwischen Feuer und Wind. Über Mahmoud Darwish ..... 61

Wulf Kirsten

Literatur als Überlebenshilfe. Zu Nico Rosts Tagebuch „Goethe in Dachau. Literatur und Wirklichkeit". Über einen niederländischen Autor ..... 70

Joochen Laabs

Die bestürzende Nähe der Ferne. Über John Steinbecks Roman „Früchte des Zorns" ..... 75

Armin Müller

Wer den Traum sich bewahrt, bewahrt sich das Leben. Ernst Tollers

Schwalbenbuch ..... 83

Thomas Nicolaou

Mich halten nicht die Pomeranzen. Über Odysseas Elytis ..... 89

Joachim Nowotny

Eine nicht nur finnische Geschichte. Über Veijo Meri ..... 99

Jürgen Rennert

Widerspruchsvoll denken und leben. Über Isaac Bashe vis Singer ..... 104

Bernd Schirmer

Allein im geliebten Land. Über Albert Camus ..... 111

Claus B. Schröder

Eines Tages, sieben Jahrzehnte später. Über Thomas Manns Novelle „Der Tod in

Venedig" ..... 116

Jo Schulz

Dublin und die Gründe. Über James Joyce ..... 120

Hans Weber

Anton Pawlowitsch ist unterwegs. Gedanken zu Tschechow ..... 128

Walter Werner

Die glücklichen Verwandlungen. Über Pablo Neruda ..... 132

Helmut Baldauf

Die leise Stimme oder Erfahrungen mit Weltliteratur. Über Sadako Kurihara ..... 141

Zu den Beiträgen ..... 151


Aufbau-Verlag Berlin und Weimar
1. Auflage 1984




 

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