21 Oktober 2022

Sylvia Nagel: Die Eheschließung. Chinesische Erzählungen des 20. Jahrhunderts

Die Eheschließung, von den Alten nach überkommener Sitte eingefädelt, findet nicht statt. Die Jungen überlisten die "Heiratsvermittler", denn sie haben schon längst eine Glücksmünze von ihren Liebsten erhalten, und wählen sich sebst ihre Lebenspartner. Zhao Shuli, der Autor dieser heiteren Dorfgeschichte, gehört wie Lu Xun, Ye Shengtao, Mao Dun, Lao She, Ba Jin und Wang Meng zu den Repräsentanten der modernen chinesischen Literatur.

Der Niedergang der jahrtausendealten festgefügten Staatsordnung und der Bankrott des traditionellen konfuzianisch geprägten Systems bahnten etwa um 1917 der literarischen Revolution den Weg: Das klassische Chinesisch als Kunstsprache, das nur dem verschwindend kleinen Teil der Gebildeten zugänglich war, wurde durch die Umgangssprache abgelöst und das einfache Volk zum Handlungsträger der Literatur gemacht. Den Schriftstellern eröffneten sich bislang ungeahnte Wirkungsmöglichkeiten, die sie begeistert nutzten.

Dreizehn Erzählungen von sieben namhaften Autoren sollen einen kleinen Einblick geben in das fruchtbare literarische Schaffen im China der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts. Sie blenden die verschiedensten Lebensbereiche ein. Geschildert werden der harte Lebenskampf der Bauern, die um das gute Gedeihen ihrer Seidenraupen bangen, der Protest gegen den Terror der Reaktion in den dreißiger Jahren und gegen Bürokratismus und Karrierismus zu Beginn der sozialistischen Umgestaltung. Gezeigt werden die Konflikte und existenziellen Nöte des Intellektuellen in der vorrevolutionären Zeit. Gezeichnet wird ein anschauliches Bild von der Stellung der Frau im ersten Viertel dieses Jahrhunderts: von den Leiden, die sie durch die Zwangsheirat zu erdulden hatte, und von ihrer Prostitution als der ihr einzig verbliebenen Quelle des Broterwerbs. Und erzählt wird vom Ringen der Jugend um den Sieg über die seit alters tief im Volk verwurzelten feudalen Bräuche.

Inhalt

Lu Xun (1881-1936): Eine unbedeutende Begebenheit / Dorfopfer / Das Neujahrsopfer
Ye Shengtao (1894-?): Reis / Ein Leben
Mao Dun (1896-1981): Seidenraupen im Frühling
Lao She (1899-1966): Die Mondsichel / Eine aufopferungsvolle Frau
Ba Jin (geb. 1904): Regen / Der sprechende Baum / Am verwilderten Garten
Zhao Shuli (1906-1970): Die Eheschließung
Wang Meng (geb. 1934): Der Neue in der Organisationsabteilung

Aufbau-Verlag Berlin und Weimar, 1. Auflage 1988
bb-Reihe Nr. 612

Aus dem Chinesischen übersetzt von Fritz Gruner, Johanna Herzfeldt, Sylvia Nagel und Irma Peters

Der Abdruck der Erzählungen „Eine unbedeutende Begebenheit“, „Dorfoper“ und „Das Neujahrsopfer“ von Lu Xun erfolgte mit Genehmigung des Verlages Rütten & Loening, Berlin; der Abdruck der Erzählung „Seidenraupen im Frühling“ von Mao Dun erfolgte mit Genehmigung des Verlages Volk und Welt, Berlin

Einbandgestaltung Zhou Xiufen/Regine Schmidt

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