26 Juni 2023

B. Traven: Die Baumwollpflücker

Inhalt
Unter der erbarmungslosen Sonne Mexikos muß sich Gerard Gale als Baumwollpflücker, Petroleumdriller, als Bäcker und Viehtreiber sein tägliches Brot verdienen. Und welch ein merkwürdiger Zufall: Überall, wo Gale auftaucht, gibt es Unruhe unter den Arbeitern, bricht nach kurzer Zeit ein Streik aus. Doch er behauptet, nichts dafür zu können.


Leseprobe
"Baumwollpflücken? Ich denke nicht, daß Sie mich für einen solchen Dummkopf halten. Lieber stehlen oder krepieren. Haben Sie schon einmal einen armen Farmer gesehen? Ich nicht. In den ersten drei Jahren vielleicht, da geht es ihm etwas hart. Aber wenn er das Land erst einmal durch hat, dann ist es sicherer als eine Goldmine. Dann aber wollen sie auch gleich noch Diamantenminen daraus machen dadurch, daß sie die Arbeiter um den Lohn betrügen. Cabrones!"
Ich denke, daß Osuna durchaus recht hatte. Und ich nahm mir vor, meine Laufbahn als Baumwollpflücker für immer abzuschließen. Es kam nichts dabei heraus. Und es war so zwecklos. Was kümmert mich denn der Baumwollbedarf Europas? Wenn sie Baumwolle da drüben haben wollen, so mögen sie herüberkommen und sie sich selber abpflücken, damit sie einmal erfahren, was das heißt: Baumwolle pflücken. Mit dieser neuerkämpften Lebensweisheit belastet, verließ ich Osune und ging rüber zu der Kaffeebar, um Kaffee zu trinken und zwei Hörnchen zu essen.
Neben mir saß ein Amerikaner, ein älterer Mann, sicher ein Farmer. "Suchen Sie nach was?", fragte er, als ich über die Bar hin und her guckte.
"Ja, nach dem Zucker", sagte ich. Er reichte mir die emaillierte Zuckerbüchse.
"Das meinte ich eigentlich nicht, als ich fragte", sagte der Mann lächelnd. "Ich meinte vielmehr, ob Sie sich etwas verdienen wollen?"
"Das will ich immer", erwiderte ich.
"Haben Sie schon mal Rinderherden blockiert?" fragte er jetzt.
"Ich bin auf einer Viehfarm groß geworden."
"Dann habe ich Arbeit für Sie."
"Ja?"
"Eine Herde von tausend Köpfen, achtzig Stiere darunter, dreihundertfünfzig Meilen über Land bringen. Abgemacht?"
"Abgemacht!" Ich schlug in seine Hand. "Wo sehe ich Sie?"
"Hotel Palacio. Um fünf. In der Halle."

Verlag Volk und Welt Berlin 1986
Roman-Zeitung Nr. 439 - 10/1986
 

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