09 Juni 2023

Francis Bacon: Ausgewählte Essays

FRANCIS BACON (1561-1626) ist neben Montaigne der Begründer des philosophischen Essays, jener knappen, zu funkelnder Sprachform geschliffenen Gattung, die nach seinen Worten viel aus der Erfahrung und wenig aus den Büchern schöpfe, so daß sie weder Wiederholung noch Erfindung darstelle. Glanz und Elend des elisabethanischen Zeitalters, Glanz und Elend dieses Philosophen und Staatsmannes an der Schwelle zwischen Renaissance und Aufklärung, dessen Leben von zwei Leidenschaften beherrscht war: der verhängnisvollen Sucht nach Ruhm und einträglichen Ämtern im Staate und dem Streben nach einer Reformation des gesamten menschlichen Wissens, sind in diesen Betrachtungen über Gott und alle Welt sublimiert. Aus jedem der hier ausgewählten Essays des „wahren Stammvaters des englischen Materialismus und aller modernen experimentierenden Wissenschaft“ (Marx) spricht ein neues Lebensgefühl, Forscherdrang und ein bis dahin unerhörtes Vertrauen in die praktische Vernunft und Weltweisheit des von Vorurteilen befreiten Menschen.

EINLEITUNG
Die insgesamt achtundfünfzig Essays beschäftigten Bacon beinahe während seines ganzen unruhevollen Lebens. Es war ein Leben, beherrscht von zwei Leidenschaften: der Sucht nach Ruhm und einträglichen Ämtern im Staate und dem Streben nach einer Reformation des gesamten menschlichen Wissens. So anhaltend seine Liebe für Reichtum und Prunk ihn in der ersten Richtung trieb, so riesenhaft war sein Vorhaben auf dem anderen Gebiet. Er glaubte, durch zielstrebiges Beobachten, Sammeln und Filtern von Fakten alles der Menschheit mögliche und nötige Naturwissen selbst oder mit wenigen Helfern in einiger Zeit erlangen zu können. Die Erlösung der Menschheit von der Übermacht der Natur, die Wiederherstellung des Reiches des Menschen in der Natur würden daraus folgen. Bacon sah sich als dessen Begründer. Von den wissenschaftlichen Plänen wurden nur ein Bruchteil, einige Materialsammlungen und eine empirische Methodenlehre ausgeführt; das Ziel entfernte sich um so weiter, je mehr getan wurde, es zu erreichen.
Auf dem ersten Felde wurde Bacons Leben durch fast dreißig Jahre hindurch nur vom ungestillten und unstillbaren Ehrgeiz nach Ruhm und Würden bewegt. Es fand Erfüllung während der kurzen Spanne von vier Jahren, die ihm höchste Staatsämter, Titel und Reichtümer zuführten. Am Ende war dieses Leben geschlagen vom schmachvollen Sturz, den Anklage und Urteilsspruch des Parlaments von 1621 im Eilschritt von nicht ganz zwei Monaten dem Kanzler Bacon bescherten.
Dieses Leben entfachte in Bacon alle Leidenschaften der Seele außer der einen, der Liebe: die Begeisterung und den Großmut des Befreiers, die anhaltende Lust des Denkers am Umgang mit Büchern, Unterwürfigkeit, Neid und Verrat des Strebers, den Stolz, die Prunksucht, den Jammer des Emporkömmlings. Auf dem Gipfel und am Ende der englischen Renaissance war Bacons Leben ausgespannt über dem äußerlich blendenden Abschluß der absolutistischen Tudorzeit und dem beginnenden Verfall der königlichen Macht unter dem ersten Stuart. 

Inhalt
    5 ...... Einleitung
  31 ...... Über die Wahrheit
  34 ...... Über die Einigkeit in der Religion
  39 ...... Über Verstellung und Heuchelei
  43 ...... Über die Liebe
  46 ...... Über Aufstände und öffentliche Unruhen
  55 ...... Über den Atheismus
  59 ...... Über den Aberglauben
  61 ...... Über das Reisen
  64 ...... Über das Beraten
  70 ...... Über die Verschlagenheit
  75 ...... Über die Beschleunigung von Geschäften
  77 ...... Über das Scheinbild der Klugheit
  79 ...... Über die Freundschaft
  88 ...... Über die wahre Größe der Königreiche und Staaten
  99 ...... Über die Pflege der Gesundheit
102 ...... Über die Unterhaltung
104 ...... Über Kolonien
108 ...... Über den Reichtum
112 ...... Über Weissagungen
117 ...... Über den Ehrgeiz
119 ...... Über Maskenspiele und Prunkaufzüge
121 ...... Über die natürliche Veranlagung im Menschen
123 ...... Über das Glück
126 ...... Über den Wucher
131 ...... Über Jugend und Alter
133 ...... Über die Schönheit
135 ...... Über Verhandlungen
137 ...... Über Bittsteller
139 ...... Über das Studieren
141 ...... Über das Lob
144 ...... Über die Prahlerei
146 ...... Über das Richteramt
151 ...... Über die Wandelbarkeit der Dinge

Reclams Universal-Bibliothek Band 85
PHILOSOPHIE

Verlag Philipp Reclam jun. Leipzig

1. Auflage 1969 

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