24 Juni 2023

Helmut Baierl: Gereimte Reden

Gereimte Reden sind ehrliche, pfiffige und direkte Agitation. Sie sind für den Tag geschrieben und verheimlichen nicht, daß sie etwas Politisches wollen. Das muß man wissen, wenn man das Buch zur Hand nimmt. Daß sie außerdem vergnüglich sind, ist etwas, was ihre Sammlung rechtfertigt. Die meisten Stücke wurden von Hans Peter Minetti uraufgeführt, aber auch Wolf Kaiser, Ekkehard Schall und Karin Freiberg haben sich mit ihrer ganzen Persönlichkeit für bestimmte Stücke eingesetzt. Ein voller Saal. Gespannte Stille. Und dann der Schauspieler, der die Geschichte vorspielte. Meist saß ich irgendwo hinter einem Pfeiler und zitterte mit ihm wie bei den Schauspielern meines ersten Stückes. Das liegt nun teilweise schon lange zurück. Und es war immer schön, wenn nur die richtigen Leute zuhörten. Und die hörten eigentlich immer zu, wohin wir auch kamen in unserem schönen Land.
H. B.


Aus dem Buch:
Zur Eröffnung des Palastes der Republik
So sind wir heute hier, ein Fest zu feiern,
Ein Fest des Volkes unserer Republik.
Denn dieses Haus, Palast der Republik,
Von den Erbauern für sich selbst und ihresgleichen
Errichtet mit dem Marmor des Erkämpften,
Dem Stahl der Konzentration in seinen Sälen,
Wird es Gedanken fördern wie ein Bergwerk Kohle
Zum Nutzen unseres Staats, der Menschen in ihm.
Die Transparenz im Glas der Foyers,
Sie schenkt dem Blick die Weite auf das Land
Und lädt ihn ein, von außen auch zu sehen,
Wie innen Menschen wandeln, denken, sich erholen.
Fertig ist es! Vollendet! Welch Begriff!
Materie geworden, Zukunft und Geschichte!
Bedenkt: Drei Jahre nur, seit vom Marx-Engels-Platz
Der Schlußruf der Fanfaren hier erscholl
Des großen Festivals. So gegen zwölf
Uhr nachts verliefen sich die Tausende,
Nach Haus zu gehn in ihre Kontinente.
Da zog nicht Stille ein wie anderswo,
Zog Lärm ein, anderer Lärm, nicht Jubel mehr
(Nicht Kampflärm, der in düsterer Zeit den Platz
So sehr erfüllte) – Nein! Der Lärm der Arbeit!
Preßlufthämmer stießen ins Gedärme
Des alten Kaiserschlosses – Halde unter Pflaster
Und Sprengung! Ausschacht! Pumpenstation,
Verbündeter der Spree und schließlich Herr ihr!
Erhob sich jahrs darauf das Filigran
Des Stahlskeletts. Fassade. Dach. Und Ausbau.
Wir, drin zur Arbeit, wir, die täglich
Vorbei am Platz zu unserer Arbeit gingen.
(Andere Arbeit zwar, doch trotzdem gleich
Im Ziel, im Kampf, im Denken, im Ideal!)
War es nicht so? Wir sahn den Bau mit Hoffnung,
In die sich auch die Spur von Bangen mischte:
Wird fertig unser Haus und zum Termin?
Und wird er schön sein, der Palast, und klug
Gebaut und praktisch und gemütlich, luftig
Und lustig? Ernst und Weitsicht nicht verwehrend?
Ja, ja! Ich sag es generell: Er ist!
Was die Gedanken unseres Volks ersehnten,
Die kenntnisreiche Kunst der Bauleute,

Inhalt
Prolog (1961) .......... 5
Worte an Tschekisten (1975) .......... 6
Überreichung eines merkwürdigen Geschenks (1971) .......... 12
Der zweite Herzschlag des Lebens (1976) .......... 14
An die Schauspieler meines ersten Stückes (1954) .......... 19
Befragung eines sowjetischen Meisters über sein Leben (1969) .......... 21
Lied vom Glück in unseren Breiten (1971) .......... 24
Aus«... stolz auf 18 Stunden» (1973)25
Das Essen einer Kartoffel 1945 (1967)31
Rede des Schauspielers H. P.M. an das P. P. Publikum der siebziger Jahre (1970) .......... 34
Rote Fahne (1956) .......... 36
Ein Wunsch frei (1972) .......... 37
Elegische Stimmung (1971) .......... 40
Menetekel (1968) .......... 41
Für Grimau (1963) .......... 42
Für Friedrich Wolf (1973) .......... 43
U-Bahn-Ballade (1971) .......... 44
Lied der Kinder (1969) .......... 45
Valentina (1969) .......... 46
Der eifrige Hahn (1957) .......... 48
Der Sündenbock (1958) .......... 49
Seelow – dreißigster Jahrestag (1975) .......... 51
Briefe an unsere Freunde in Vietnam (1966/1975) .......... 53
Es geht um die Erde ein rotes Band (1972) .......... 55
Zur Eröffnung des Palastes der Republik (1976) .......... 57
Träume und Beweis (1976) .......... 60
Epilog (1971) .......... 61

Militärverlag der DDR, Berlin

1. Auflage 1976

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