16 Juli 2023

Arno Neumann: Maxe, unser Liebermann – Acht Kapitel über den Maler und sein Werk

Kunst kommt von Können, und daß das Können in keiner Kunst mehr ausmacht als gerade in der Malerei, soll keineswegs geleugnet werden... Gute Malerei ist nur, die gut gedacht ist. Was bedeutet die korrekteste Zeichnung, die blendendste Farbe, wenn all diesen äußerlichen Vorzügen das Innerliche, die Empfindung, fehlt! Das Bild bleibt doch – gemalte Leinwand. Erst die Phantasie kann die Leinwand beleben, sie muß dem Maler die Hand führen.
MAX LIEBERMANN

Buchanfang
Skizzenbücher wünscht sich Max Liebermann zu seinem 9. Geburtstag, solche, wie sie Künstler auch haben. Er zeichnet im Zoo die Tiere und zu Hause Waschfrauen, die für die Familie arbeiten.
Zwei Zeichnungen des 12jährigen druckt die Berliner »Illustrierte Zeitung«. Für jede bekommt er einen Taler. Aber niemand erfährt den Namen des jungen Künstlers. Das wußte der Vater zu verhindern.
Aber Liebermann läßt sich von den väterlichen Vorbehalten nicht beeindrucken:
»Fünfzehnjährig... wollte ich Maler werden, ich glaube besonders, um der Schule zu entwischen. Die war mir ein Greuel, und noch heute ist's mein schwerster Traum, ich sei noch auf dem Gymnasium. Mein Vater aber bestand bei uns drei Brüdern darauf, daß wir das Abiturientenexamen machen müßten, bevor wir uns für einen Beruf entschieden; bei mir wohl mit dem ganz natürlichen Nebengedanken, daß ich, erst einmal auf der Universität, von selbst meine Absicht, Maler werden zu wollen, aufgeben würde.
Inzwischen sollte ich bei Steffeck, der damals in Berlin noch als Lehrer sehr renommiert war und der meine Zeichnungen gesehen und anerkannt hatte, am Mittwoch und Sonnabend nachmittags zeichnen... Als Primaner verging mir vor lauter Schularbeiten die Lust zum Zeichnen, wenigstens bei Steffeck, der noch dazu weit weg von uns wohnte.
Endlich hatte ich glücklich das Examen bestanden, und ich wurde auf der Berliner Universität immatrikuliert. Aber ich belegte nicht einmal ein Kolleg, sondern genoß die Freiheit von der Schule, indem ich im Tiergarten spazierenritt. Und bei einem jener morgendlichen Ritte traf ich Steffeck... Er forderte mich auf, in sein Atelier zu kommen und ein Pferd, das er zu porträtieren hatte, mitzumalen. Zum erstenmal hatte ich Pinsel und Palette in der Hand. Der Versuch fiel nach Steffecks Meinung überaus günstig aus, und – ich war Maler geworden.«
Der Vater ist noch nicht überzeugt. Die Liebermanns sind reiche Leute. Der Vater besitzt zusammen mit seinem Bruder eine Stoffabrik und zwei Eisenwalzwerke. Außerdem betreibt man einen Großhandel mit Baumwollstoffen. Die Liebermanns wohnen allein in einem eigenen mehrstöckigen Haus in der berühmtesten und teuersten Gegend Berlins, am Pariser Platz, direkt neben dem Brandenburger Tor.

Der Kinderbuchverlag Berlin
(Kunstreihe)

1. Auflage 1986

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