16 Juli 2023

Francois Eugéne Vidocq: Aus dem Leben eines ehemaligen Galeerensklaven ...

Vollständiger Titel
Aus dem Leben eines ehemaligen Galeerensklaven, welcher, nachdem er Komödiant, Soldat, Seeoffizier, Räuber, Spieler, Schleichhändler und Kettensträfling war, endlich Chef der Pariser geheimen Polizei unter Napoleon sowohl als unter den Bourbonen bis zum Jahre 1827 wurde



Abenteurer, Soldat, Gelegenheitsarbeiter, Dieb, Kettensträfling, dann Polizeispitzel und schließlich Chef der französischen Sicherheitspolizei – das war François Eugène Vidocq.
Rückhaltlose Offenheit, aber auch ein starkes Selbstbewußtsein charakterisieren seine Memoiren. Kein Wunder, daß sie Erfolg hatten. Bereits 1829, zwei Jahre nach ihrem Erscheinen, wurden sie ins Deutsche übersetzt. Der Vergleich mit Casanova und Benvenuto Cellinis Selbstzeugnissen liegt nahe. Bedeutende Zeitereignisse und namhafte Zeitgenossen beschäftigen Vidocq weniger als das eigene Schicksal. Es wäre jedoch falsch, den Erfolg seiner Autobiographie allein aus dem Interesse am Sensationellen herzuleiten.
Was hat gerade Balzac und Victor Hugo bewogen, Vidocqs Erlebnisse als Quelle für ihr Werk zu nutzen?
Eine Zeit großer gesellschaftlicher Umwälzungen spiegelt sich aus der Sicht der Deklassierten. Straftaten werden geschildert, aber zugleich werden soziale Mißstände, Ursachen zunehmender Kriminalität und inhumaner Strafvollzug aufgedeckt. Vidocq zeigt viele Gesichter. Im Urteil der Zeitgenossen war er auch »ein ehrenwerter Mann«.
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Bei der gegenwärtig in Europa bestehenden Gesellschaftsordnung sind dem Unerfahrenen alle Mittel gegeben, sich zu verderben; fällt er, so wird die Gerechtigkeit aufrechterhalten, oder besser gesagt, die Gesetzgebung. Aber wer ist's, den sie trifft? Der Arme, der Unwissende, der Unglückliche, dem das Gesetz unbekannt geblieben, der keine anderen Regeln des Verhaltens haben konnte als die Sprüche des Katechismus, die bald vergessen sind, weil er sie als Kind nicht verstand und als Mann unter der Masse von Religionsvorschriften nur sehr weniges findet, was fürs praktische Leben taugt. Man täusche sich ja nicht; trotz der großen Fortschritte der Aufklärung ist die Volkserziehung noch weit zurück. Die Wissenschaft schreitet voran, aber nur für die bevorrechteten Stände. Weiter unten ist Finsternis, wo jeder auf gut Glück sich blindlings vorwärtsbewegt, und wehe dem, der sich verirrt! Bei jedem Schritt gibt es Abgründe, Schlingen, Hindernisse, und niemand will die Mühe auf sich nehmen, ein Licht aufzustecken. Geht eures Wegs, ihr Armen! Ihr seid verflucht, verworfen! Die Gesellschaft, die verurteilt und ausstößt, hat euch mit ihrem Bann belegt.
François Eugène Vidocq

Buchanfang
KAP. No.1
Was ein Häkchen werden will

Ich bin in Arras geboren, und da meine ständigen Verkleidungen, die Beweglichkeit meiner Züge und meine Geschicklichkeit, das Gesicht in Falten zu legen, mein Alter in Ungewißheit setzten, so wird es nicht überflüssig sein, hier zu erklären, daß ich am 23. Juni 1775 zur Welt kam. Es geschah in einem Haus neben dem, in welchem sechzehn Jahre vorher Robespierre geboren worden war. Es war Nacht. Der Regen fiel in Strömen, daher schloß eine Verwandte, die die Geschäfte einer Hebamme und einer Wahrsagerin versah, daß ich ein stürmisches Leben haben würde. Damals gab es noch gute Leute, die an Vorzeichen glaubten; aber wie viele Menschen, die keine Kaffeeschwestern sind, würden sich nicht auch noch heutzutage, wo man aufgeklärt ist, für die Unfehlbarkeit der Demoiselle Lenormand verbürgen.
Wie dem auch sei, es ist zu vermuten, daß die Natur nicht gerade meinetwegen stürmte, und obgleich das Wunderbare manchmal eine verführerische Sache sein mag, so bin ich doch weit entfernt zu denken, daß man dort oben acht auf meine Geburt gehabt habe. Ich besaß eine der stärksten Konstitutionen, der Stoff war dabei nicht gespart, denn gleich bei meinem ersten Erscheinen hätte man mich für ein Kind von zwei Jahren halten können, und ich versprach damals schon jene .....

Inhalt
Erstes Kapitel • Was ein Häkchen werden will
Zweites Kapitel • Unter der Herrschaft der Guillotine
Drittes Kapitel • Krieg und krumme Wege
Viertes Kapitel • Ein folgenschwerer Freundschaftsdienst
Fünftes Kapitel • Ich soll einen Mord begangen haben
Sechstes Kapitel • Acht Jahre Kettenstrafe
Siebentes Kapitel • An der Kette ins Sklavenhaus von Brest
Achtes Kapitel • Die Abenteuer der Schwester Franziska
Neuntes Kapitel • Überall lauern die Häscher
Zehntes Kapitel • Wieder an der Sträflingskette
Elftes Kapitel • Roman, der edle Räuber
Zwölftes Kapitel • Herrn Dubois kann geholfen werden
Dreizehntes Kapitel • Unter der Flagge der Korsaren
Vierzehntes Kapitel • Seltsames Treiben der Olympier
Fünfzehntes Kapitel • Schatten der Vergangenheit
Sechzebnies Kapitel • Im Gluttopf stinkt es
Siebzehntes Kapitel • Agent des bösen Engels
Achtzehntes Kapitel • Unter Mutter Noëls Obhut
Neunzehntes Kapitel • Buckelchen
Zwanzigstes Kapitel • Der ach so fromme Pater Moiselet
Einundzwanzigstes Kapitel • Herr Julius hat uns eingepackt
Zweiundzwanzigstes Kapitel • Rechenschaftsbericht eines Chefs
Nachwort

Mit einem Nachwort von Hans-Joachim Malberg und
Illustrationen von Klaus Ensikat

Buchverlag Der Morgen

1. Auflage 1971
2. veränd. Auflage 1986

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