26 Juli 2023

F. M. Dostojewski: Aufzeichnungen aus einem Totenhaus

Die ›Aufzeichnungen aus einem Totenhaus‹, deren Autor, wie Alexander Herzen 1864 schrieb, wohl selbst nicht ahnte, daß er in dieser Schilderung einer sibirischen Haftanstalt Fresken im Geiste des Michelangelo schuf, als er mit gefesselter Hand die Gestalten seiner Zuchthausgefährten zeichnete, sind autobiographischer Bericht, selbst noch im geringsten Detail unmittelbar, erregend und einzigartig in der Geschichte der europäischen Literatur: Vier Jahre lang, von 1850 bis 1854, verbüßte Dostojewski in der Festung von Omsk als Kettensträfling und dann, weitere fünf Jahre, als gemeiner Soldat in der Garnison Semipalatinsk eine Strafe, zu der man ihn, den wegen seiner Teilnahme an der Bewegung der Petraschewzen schon zum Tode Verurteilten, schließlich begnadigt hatte. Er hatte im Kreise revolutionärer Intellektueller einen Brief Belinskis vorgelesen, der die Aufhebung der Leibeigenschaft forderte – deshalb war er vor Gericht gestellt und, nach Monaten quälender Ungewißheit, nach Sibirien gebracht worden.
Hier nun, in den Gefängnissen des Zarismus, inmitten von Dieben und Mördern, unter Ausgestoßenen und Verfemten, die man durch die furchtbare Gasse der Spießruten jagt, auspeitscht und brandmarkt, ehe man sie, in Ketten geschmiedet, auf immer den seelischen und körperlichen Qualen der Verbannung überläßt, in diesem von der Menschheit abgerissenen Fetzen, erfährt Dostojewski jene Hölle der Erniedrigung, von der dieses Buch berichtet, hier aber auch, inmitten des Schmutzes, der Folter und angesichts des Todes, der alles überschattet, ergreifende Beispiele menschlicher Bewährung und Solidarität. ›Ob Du es glaubst oder nicht‹, heißt es in einem seiner Briefe an den Bruder, ›es gibt hier tiefe, starke, herrliche Charaktere; es muß eine Freude sein, unter der verhärteten Kruste das Gold aufzuspüren.‹ Dostojewskis ›Aufzeichnungen aus einem Totenhaus‹ sind das erschütternde Zeugnis dieser Suche, ein Buch der Anklage und des Protestes – und das Buch einer tiefen Menschlichkeit.

Inhalt:
Erster Teil
    5 ..... Einleitung
  12 ..... Das Totenhaus
  34 ..... Die ersten Eindrücke
  59 .......... Erste Fortsetzung
  81 .......... Zweite Fortsetzung
106 ..... Der erste Monat
129 .......... Fortsetzung
150 ..... Neue Bekanntschaften. Petrow
169 ..... Entschlossene Menschen. Luka Kusmitsch.
179 ..... Isai Fomitsch. Das Bad. Bakluschins Erzählung
203 ..... Das Weihnachtsfest
227 ..... Die Theatervorstellung

Zweiter Teil
257 ..... Das Lazarett
279 .......... Erste Fortsetzung
300 .......... Zweite Fortsetzung
327 ..... Akulinas Mann
343 ..... Die Sommerzeit
368 ..... Die Tiere des Gefängnisses
386 ..... Die Beschwerde
412 ..... Die Kameraden
434 ..... Die Flucht
455 ..... Die Entlassung aus dem Gefängnis

463 ..... Nachwort

Originaltitel: Записки из мёртого дома
Aus dem Russischen übersetzt von Hermann Röhl
Nachwort von Georgi M. Fridlender, Leningrad

Insel-Verlag Anton Kippenberg, Leipzig

4. Auflage 1971

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