Der Eichensaal des Nürnberger Justizpalastes liegt in gleichmäßig fahlem, quälendem Licht. Neben Marlene Dietrich in US-Uniform sitzt Boris Polewoi, Prawda-Korrespondent beim Nürnberger Kriegsverbrecherprozeß. Wägend blickt er zur Anklagebank. Gut möglich, daß Hitlers einstige Führung früher in gleicher Sitzordnung auf der Ehrentribüne der Nürnberger Parteitage Platz nahm. Bloß das Triumvirat Hitler, Himmler, Goebbels fehlt. Wie alltäglich sich die Angeklagten geben! Nichts Diabolisches, zwei Reihen von Biedermännern – so sitzen sie da. Der Dicke dort in der grauen Wildlederuniform, erste Reihe rechts, ist also Hermann Göring – Deutschlands Nazi Nummer zwei, der den Reichstag ansteckte, die „Nacht der langen Messer“ organisierte, die Eroberung Österreichs, der Tschechoslowakei vorbereitete, der öffentlich gedroht hatte, London, Leningrad, Moskau dem Erdboden gleichzumachen. Und jener Hagere da mit dem knochigen Gesicht - Rudolf Heß, Hitlers rechte Hand in der Nazipartei, – Mitautor der Nazifibel „Mein Kampf“; jener Große – der Handlungsreisende in internationalen Verschwörungen Joachim von Ribbentrop; und der Militär mit den kantigen Zügen und dem glatt zurückgekämmten Haar – Feldmarschall Wilhelm Keitel, Miturheber Hitlers Eroberungsplänen ...
Zum erstenmal in der Menschheitsgeschichte wurde in Nürnberg über Kriegsbrandstifter zu Gericht gesessen, wurden Verbrechen gegen Frieden und Menschlichkeit, wurde der militante Imperialismus verurteilt. Polewois Nürnberger Tagebuch ist Chronik des Prozesses, zugleich aber Buch der Erinnerung an eigenes Kriegserleben und Begegnungen mit bedeutenden Zeitgenossen wie Georgi Dimitroff und Ludvik Svoboda, Karel Hájek und Marie Majerová, Alexander Fadejew und Konstantin Fedin, Nikolai Shukow, den Kukryniksy und vielen anderen. Aktueller Anlaß für seine Veröffentlichung sind dem Autor Neonazismus und imperialistische Aggression ein Vierteljahrhundert nach dem Prozeß.
Verlag Volk und Welt, Berlin
Autorisierte Fassung
Auflagen
1. Auflage / 1971
2. Auflage / 1972
3. Auflage / 1974
4. Auflage / 1974
Buchclub 65 1. Auflage / 1975
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