Bücher und Schriftsteller, die in der DDR gelesen wurden. Schaut bitte nicht nur danach, ob hier jeden Tag Beiträge auflaufen, nutzt diesen Blog auch wie ein Lexikon. Er ist ein Langzeitprojekt, da ist es sicherlich verständlich, wenn zwischendurch immer mal wieder pausiert wird. Sei es, um nicht die Lust daran zu verlieren, aber auch, weil die Beiträge auch regelmäßig vorbereitet werden müssen. Wir wünschen Euch viel Spaß beim Stöbern und Erinnern oder neu entdecken.
31 Dezember 2023
Boleslaw Prus: Angelika
Mit dem harmonischen Bild einer ländlichen Idylle beginnt Bolesław Prus (1847-1912) seinen kleinen Roman aus dem Jahre 1880, und er beschließt ihn mit einer ebenso heiteridyllischen Szene, als wäre nichts Dramatisches geschehen. Was aber der dreizehnjährigen Angelika zu Ohren kommt und was sie am Ende mit eigenen Augen ansehen muß, scheint ihr schon Grund genug zu höchster Beunruhigung. Dem Leser jedoch eröffnen sich erschütternde Einsichten in eine Welt des sozialen Umbruchs, denn er durchschaut, was der ahnungslosen Angelika bis zum Schluß verborgen bleibt.
Über den Autor:
Bolesław Prus, der große polnische Realist des 19. Jahrhunderts, der einige Jahre nach dem Erscheinen der «Angelika» mit seinen Romanen «Die Puppe» (1887/89) und «Pharao» (1895) Weltruhm erlangte, zeigt sich bereits in diesem frühen Werk als ein Meister des Details, des scheinbar Alltäglichen, fast Banalen, und als ein unbestechlicher Chronist seiner Zeit. «Nach dieser Erzählung möchte man gar nichts mehr lesen», vermerkt Stefan Zeromski in seinem Tagebuch, «nur die Augen bedecken, niemanden mehr sehen ...»
Buchanfang:
1. Kapitel
Der Verfasser gibt einen Überblick über die Personen seines Buches
Angelika ist ein hübsches Mädelchen und dabei weder arm noch eine Waise. Sie besitzt alle Voraussetzungen, glücklich zu sein: sie hat Eltern, eine gelehrte Erzieherin, einen eigenen Hund, und – sie wohnt auf dem Lande. Ein Dorf ist, vor allem während des Sommers, der passendste Aufenthaltsort für Kinder. Dort sind sie gesund, können auch frei und besser spielen als in der Stadt.
Auf einer Fläche von einigen hundert Morgen bieten sich ihnen die mannigfaltigsten Ausblicke, die ihre jungen Seelen mit schlichten und ruhigen Eindrücken erfüllen. Hier ist der Himmel kein leerer Raum zwischen Häusern, sondern ein Gewölbe für sich, das der liebe Gott über die Welt gespannt hat und unter dem die wogenden Felder ruhen. Hier sind duftende Wiesen, klare und kühle Bäche, in denen in Hülle und Fülle kleine Fische schwimmen. Wie eine Kinderfrau, die leise eiapopeia vor sich hin singt ... schaukelt der Wind unermüdlich die hellgrünen Ähren auf den Feldern und spielt mit dem blutigroten Mohn und den blauen Kornblumen.
Durch die Felder schlängelt sich ein Pfad, auf dem langsam ein kleines, in graues Leinen gekleidetes Kind geht, das in einem Henkeltöpfchen dem Vater das Essen bringt. Weiter ab liegt eine Landstraße, auf der der Sand, gelangweilt vom langen Liegen, zuweilen plötzlich aufwirbelt und sich auf die Reise macht, um die Leute auf dem Felde zu foppen. Dahinter liegen Kartoffeläcker, in denen ein furchtsamer Hase schlummert, die grauen Flecken der Brachfelder, auf denen ......
Schutzumschlag: Hans-Eberhard Ernst
Polnischer Originaltitel: Anielka
Übertragen von Albert Klöckner
Mit einem Nachwort von Dietrich Scholze
Verlag der Nation, Berlin
1. Auflage 1986
2. Auflage 1989
Im gleichen Verlag auch erschienen als:
Roman für alle ; Bd. 97
1. Auflage 1960
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