26 Januar 2024

B. Traven: Trozas

Travens Buch atmet die Exotik eines fremden Erdteils. Gefährlich in seinem sonnenlosen Grün liegt der Urwald.   Doch der Mensch dringt auch in dieses undurchdringlich scheinende Dickicht ein. Die Luxusläden in Paris und New York brauchen für ihre verwöhnte Kundschaft Edelhölzer  – vor allem Mahagoni. Die wenigsten Käufer werden wissen, woher das Holz ihrer Schreibtische stammt, wer es schlug. Einfache, blutarme Indios sind es, die mitten   im Dschungel als Holzfäller leben – weit ab von ihren heimatlichen Dörfern. Dort sitzen die Eltern, denen die letzte Kuh starb und  die in Schulden gerieten; für sie oder für eine schwarzhaarige Braut muß Geld beschafft werden.

Buchanfang:

„Ytu, como te llamas?“ fragte der Contratista, Don Remigio Gayosso, den jungen Tseltal-Indianer, vor dem er stand.
„Andres Ugaldo, su humilde servidor!“ antwortete der Bursche höflich.
„Bueno. Y de que sabes trabajar, muchacho? Welche Art von Arbeit hast du bisher verrichtet? Machete-
Arbeit? Oder gearbeitet mit der Hacha, mit der Axt?“
„No, Patron, ich habe für Don Laureano in Socton mehrere Jahre als Carretero gearbeitet.“
„Dann verstehst du, gut mit den Ochsen zu arbeiten?“
„Si, Patron, muy bien.“
„Boyero!“ sagte Don Remigio, sich an den Capataz, den Aufseher, wendend, der ihm wie ein Feldwebel mit einem Notizbuch in der Hand folgte. Der Capataz pokte sein Stückchen zerkauten Bleistift in den Mund, betrachtete dann die stumpfe Spitze eine Weile und sagte endlich: „Name, puerco sucio, du dreckiges Schwein?“
„Andres Ugaldo.“
„Su humilde servidor, jefe! setzest du hinzu, wenn ich dich nach deinem stinkigen Namen frage, du im Mist geborener Wurm. Verstehst du? Noch mal. Name?“
„Andres Ugaldo ist mein Name“, sagte der junge Indianer, dem Aufseher hartnäckig die Höflichkeitsphrase verweigernd, die er dem Contratista freiwillig geboten hatte. Der Contratista, der eigentliche General hier, hätte gar keinen Wert darauf gelegt und nicht ein Wort darüber verloren, wenn ihm der Bursche einfach den Namen genannt haben würde, ohne eine Ehrenbezeigung in Worten hinzuzufügen. Es ist immer nur das winzige menschliche Piepsken, das von einem Untergebenen und Wehrlosen die steifste Ehrenbezeigung unerbittlich verlangt, weil es sich über seine wahre Würde nicht im klaren ist und darum nicht im klaren sein kann, weil es so wenig davon besitzt. Wer nie vergißt, seine Medaillen auf die Brust zu kleben, ist seiner Verdienste nicht ganz sicher. „Wie heißt du, du Stinktier?“ brüllte der Capataz.
„Andres Ugaldo.“
„Ihr sehr untertäniger Diener, mein Herr! fügst du hinzu, wenn ich dich frage!“ schrie der Capataz und wurde tiefrot im Gesicht. „Noch mal. Wie heißt du, du Schwein?“
„Andres Ugaldo von Lumbojvil.“ Der Bursche verzog keine Miene in seinem Gesicht. Er stand ruhig da, als wäre er aus braunem Holz geschnitzt. Selbst im Blick seiner dunklen Augen zeigte er weder Furcht noch Erregung. Kalt und fest heftete er seinen Blick auf das Gesicht des Capataz, das vor Wut aufzuplatzen schien. „Dir werde ich schon das blinde Gehorchen beibringen, du Kröte, warte nur, wenn wir erst einmal allein und unter uns sind, ich und du“, sagte der Aufseher, während er den Namen in sein Notizbuch schrieb und in die nächste Rubrik hinzufügte: Boyero.
Boyero war Ochsenknecht.
Als er geschrieben und einige Minuten lang sein Geschriebenes mit Wohlwollen betrachtet hatte und sehr stolz darauf war, so schön und schwungvoll schreiben zu können, blickte er auf und sah Andres an. Er gedachte ihm gerade eine weitere kräftige Warnung für die Zukunft in das Gesicht zu brüllen, als Don Remigio ihn rief: „Hei, Ambrosio, du gottverfluchter Lepero, Hund von einem Faulenzer, wo steckst du denn mit deiner gottverdammten Schreiberei? Komm hierher und schreibe hier den Muchacho auf. Hat im Holz gearbeitet mit der Axt. Den nächsten notierst du als Machetero. Sagt, er kann tüchtig mit dem Machete arbeiten. Vier Wochen nur, dann geben wir ihm die Axt.“
 „A sus ordenes, jefe“, rief der Capataz sofort, als er angerufen wurde, und sprang pflichteifrig mit einem Satz hinter seinem Herrn her. Bin schon hier, Don Remigio, und stets zu Ihren hochgeschätzten Befehlen.“
„Schreib schon und prassele nicht so viel Quatsch. Mach voran, du Esel. Jede Stunde hier unnötig verbracht, kostet mich einen Sack teures Geld. Himmel und Hölle, Madre Santisima en el lado de Dios, warum habe ich mich je dazu verdammen lassen, Caobakontrakte zu übernehmen! Jeder Tag hier in dieser Wildnis, unter den Barbaren kostet mich ein volles Jahr meines schönen und gesunden Lebens. .........

Einbandentwurf: Werner Klemke

Verlag Volk und Welt, Berlin

1. Auflage 1954
2. Auflage 1955  

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