26 Januar 2024

Kornelia Dobkiewiczowa: Der Stollen im Eulengebirge – Märchen und Erzählungen aus dem Gebiet um Opole, aus den Beskiden und aus Dolni Slask

Auszug aus dem Buch:
„Und das Gold?“ Die Bergleute wurden unruhig. „Du hast es heute nacht gestohlen, wie du selber sagtest. Schämst du dich? Bereust du es? Wie kann es nur möglich sein, daß du uns auch diese Schuld bekennst?“ „Der Stollen ist tief“, begann Sladek. Er mußte sich an einen Baum lehnen. „Dort hält sich ein merkwürdiges Geschöpf auf. Irgendein Felsteufel. Ein kleiner Schratt, kümmerlich von Gestalt und dennoch stark und schrecklich. Er ist mit euch im Bunde, wie ich glaube, und schützt das Gold. Als ich es nahm, ließ er das Flöz erbeben, und fast hätte er mir die Decke über dem Kopf einstürzen lassen. Als ich dann über ihn spottete und mich weigerte, das Gold in die Truhe zurückzulegen, schleuderte er einen schrecklichen Bann gegen mich. Die Beine wurden mir schwer, sie schienen in der Erde verwurzelt zu sein, meine Zunge wurde steif. Ich erstarrte zu Gold ... kühlte ab. Und jener Schratt ließ mich erst dann wieder menschliche Gestalt annehmen, als ich ihm versprach, meine Schuld vor der ganzen Gemeinde zu bekennen ... Ich habe sie bekannt.“ Stille folgte. Die Bergleute standen dicht aneinander gedrängt und starrten Sladek an. Milosz wandte sich von ihm ab und ließ den Kopf sinken. „Meuchelmörder ... Dieb“, so tönte es aus der Schar der Bergleute. „Er hat seine Taten nur aus Angst bekannt!“ Aus Angst, nicht weil er bereut, was er getan hat. „Fluch dem Sladek, dem Mörder ... Er darf nicht bei uns bleiben!“ Immer größere Empörung erfaßte die Menschen, die ehrliche Freunde waren und einander vertrauten. Da hob Zych Kulimaga ein paar Goldklümpchen vom Boden auf und reichte sie Sladek. „Du warst uns weder Kamerad noch Bruder“, sagte er betrübt. „Du darfst, nicht in unserer Mitte bleiben. Also geh, hier hast du etwas auf den Weg.“ Sladek nahm wortlos das Gold. Ohne sich umzuschauen, den Kopf in die Schultern gedrückt, so rannte er den Hang hinab. Er hatte es entsetzlich eilig, obwohl ihn niemand jagte. Oben auf dem Felsen war Lukierda erschienen und sah ihm erstaunt nach. Sie trug einen Korb mit Brot, das sie für Milosz und seine Schar gebacken hatte. Langsam stieg sie den Felspfad zum Stollen hinab. Lächelnd begrüßte sie Milosz.
Vergebens würde man heute den Stollen im Eulengebirge suchen. Geröll hat ihn zugeschüttet, dornige Büsche behindern den Weg, üppiges Moos grünt darauf. Wir finden auch kein Gold mehr in diesen Bergen, denn die Vorkommen sind schon seit Jahrhunderten erschöpft. Davon, daß es dort Gold gegeben hat, berichten aber nicht nur Chroniken, sondern auch Städtenamen wie Zlotoryja („Goldgrube“).Auch eine alte Sage und dieses fast schon vergessene Märchen erzählen davon. Ihnen ist es zu verdanken, daß die Kunde von dem guten Freund der niederschlesischen Bergleute, jenem winzigen, vernünftigen und häuslichen Schratt, der eine Felskluft im Eulengebirge bewohnt, bis auf unsere Zeit überliefert ist.

Inhalt:
MÄRCHEN AUS DEM GEBIET UM OPOLE
Die drei Brüder aus Opole. ...... 5
Der rote Kaftan ...... 23
Die Preußenfahne ...... 39
Wie der Flußteufel dem Kuba am Damm erschien ...... 60
MÄRCHEN AUS DEN BESKIDEN
Wie Miecek Oblaz in den Bergen verlorenging ...... 73
Das gefangene Wasser ...... 89
MÄRCHEN AUS DOLNI ŚLĄSK
Der Goldene Erpel ...... 111
Der Schmied und der Waldschratt ...... 135
Der Stollen im Eulengebirge ...... 154

Titel des polnischen Originals „Sztolnia w Sowich Górach“
Ins Deutsche übertragen von Caesar Rymarowicz

Illustriert von Maria Orłowska-Gabrys

Nasza Ksiegarnia, Warszawa

1. Auflage 1970
2. Auflage 1972
3. Auflage 1974

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