13 Mai 2024

Walter Ruben: Die Mühlsteinbrüche bei Jonsdorf

Einbandtext:
Die Mühlsteinbrüche: Sehenswürdigkeiten im Zittauer Gebirge – vielbesuchtes Naturschutzgebiet, landschaftlich sehr reizvoll – bedeutende historische Zeugen – interessante geologische Entstehung – geologischer Aufbau – Besiedlung des Zittauer Gebirges – Geschichte des Mühlsteinbruchbetriebes vom Beginn bis zur Stilllegung – Beziehungen zu Jonsdorf – Arbeitsorganisation und Technik der Mühlsteingewinnung (Abräumen, Sprengen, Abbänken, Kitten usw.) – soziale Verhältnisse – das Leben der einstigen Steinbrucharbeiter – das Beispiel Familie Schmidt – Widerstand gegen Unterdrückung und Ausbeutung – Bühnenstücke über das Leben der Steinbrecher –Geschichte der Erforschung der Mühlsteinbrüche – die Entwicklung des Kurortes Jonsdorf seit 1945 – Lehrpfad durch das Steinbruchgebiet.

Buchanfang:
ZUR GESCHICHTE DER MÜHLSTEINBRÜCHE
Geologisches
Will man die Geschichte des Mühlsteinbruches beim Kurort Jonsdorf im Zittauer Gebirge verstehen, so muß man auf sehr frühe Zeiten zurückgehen, sehr lange bevor die ersten Menschen gelebt haben. Damals, mehrere Millionen Jahre vor unserer Zeit, gab es in diesem Gebiet noch keine Berge, sondern hier war ein Meer. Das bezeugen unter anderem versteinerte Muscheln, wie sie im Sandstein der Berge hier und da gefunden werden. Diese Versteinerungen sind gekennzeichnet durch eine exzentrisch verlaufende Faltung der Schale. Vor mehr als sechzig Millionen Jahren, als das Kreidemeer große Teile Mitteleuropas bedeckte und im Gebiet von Rügen, in der Champagne und in England die Kreide entstand, wurden hier zahlreiche fein- und grobkörnige Sandschichten übereinander abgelagert. Der damals abgesetzte Sand dieses Kreidemeeres wurde, zusammen mit Ton, Kalk und anderen Bindemitteln, zu dem Sandstein zusammengepreßt, aus dem das heutige Zittauer Gebirge besteht, das erst durch den Einbruch des Zittauer Beckens zum Gebirge wurde. Diese mächtige Sandsteinschicht wurde dann im Laufe langer Zeiten durch Sonne und Frost, durch Regen und Wind zersetzt und abgetragen, so daß die vielen Täler entstanden. Andererseits erlebte dieses Sandsteingebirge mehrfach vulkanische Durchbrüche, die im Zusammenhang mit großen Verwerfungen, besonders der Lausitzer Hauptverwerfung, stehen. Dabei wurde glutflüssiger Gesteinsbrei (Magma) aus tiefen Schichten in Rissen und Spalten durch den Sandstein hindurchgepreßt, so daß Kuppen wie die Lausche, der Hochwald, der Jonsberg und der Buchberg entstanden. Diese bestehen aus Phonolith (d. h. wörtlich Klingstein) und Basalt, also vulkanischen Gesteinen. Man erkennt dies heute auch am Pflanzenwuchs; denn auf solchen vulkanischen Böden wachsen gern Buchen, auf verwittertem Sandstein aber Nadelhölzer, besonders Fichten.
Bei diesen vulkanischen Durchbrüchen drangen Gase, Dämpfe und kieselsäurehaltige heiße Wässer durch die Sandsteinschichten rings um die mehr oder weniger dicken Adern der flüssigen Gesteine und wirkten auf sie chemisch ein. Dabei wurden die Oberflächen der einzelnen Sandkörner des Sandsteines angegriffen, der Stein wurde besonders hart und glasig, und die so wertvolle Luftdurchlässigkeit entstand. Der Sandstein, der, wie der Geologe sagt, gefrittet ist, liefert wegen seiner besonderen Härte ein hervorragendes Material für Mühlsteine. Diesem merkwürdigen Kapitel der Erdgeschichte dieser Gegend südlich von Zittau verdanken die Jonsdorfer Mühlsteinbrüche ihr Dasein (vgl. Lehrpfad S. 44).
In einem der Jonsdorfer Mühlsteinbrüche, im Schwarzen Loch (vgl. Lehrpfad S. 46), erkennt man deutlich, kaum, daß man den Bruch betreten hat, rechts und links eine von Nordosten nach Südwesten verlaufende mehrere Meter breite Schicht, die tonig-gräulich aussieht und aus verwittertem Phonolith besteht, daneben eine braune aus Basalt. Unmittelbar anschließend an sie sieht man dann, wie hier der Sandstein – durch die Einwirkung, gewaltigen Druckes, großer Hitze, heißer Gase und durch schnelle Abkühlung – die Form fünfeckiger, kurzer Säulen angenommen hat, die quer zur Richtung der Phonolithschicht liegen, horizontal übereinander. Die alten Steinbrecher gaben ihnen die Namen „Scheitelsteine“, weil sie wie geschichtete Holzscheite daliegen, so wie die Scheite, die die Jonsdorfer für den Winter unter den Bogen ihrer Umgebindehäuser aufschichten. Umgebindehäuser sind typisch für viele Siedlungen in der Lausitz und im Norden der ČSSR. Bei ihnen wird der Zusammenhang zwischen Block- und Fachbau durch das sogenannte „Umgebinde“ hergestellt, eine Traganordnung für Dach oder Obergeschoßwand.
Dicht neben den Scheitelsteinen ist ein mehrere Meter dicker, runder Durchbruch glühender Gesteine erfolgt und hat mächtige Schichten des umliegenden Sandsteins gefrittet (zusammengeschmolzen). Dazwischen sind dann freilich wieder Stellen, die von den Gasen nicht berührt oder nur wenig gehärtet wurden, Stellen, die die alten Steinbrecher „faule Wände“ nannten, weil sie zu nichts nütze waren.
Die in der Ausdehnung einiger hundert Meter (etwa 500 mal 300 Meter) stellenweise gefritteten Sandsteinschichten aber wurden so zu dem kostbaren Mühlsteinmaterial geformt, das auf deutschem Gebiet nicht noch einmal gefunden worden und auch in anderen Ländern in so brauchbarer Form äußerst selten festzustellen ist. Nur wenige Kilometer liegt jenseits der Staatsgrenze in der ČSSR ein ähnliches, aber kleineres Gebiet, das sich aber nicht so großartig auswerten ließ wie das Jonsdorfer.
Zur Zeit dieser vulkanischen Veränderungen der Erdoberfläche gab es zwar schon Tiere, aber noch keine Menschen, und wir können heute noch nicht sagen, wann die ersten Menschen in diese Gebirgsgegend gekommen sind. Schweifende Jäger mögen schon verhältnismäßig früh in den Wäldern gejagt haben, aber sie brauchten keine Mühlsteine, sondern für ihre Steinwerkzeuge Feuersteine. Als die Menschen in den Zeiten des Zerfalls der Urgemeinschaft – etwa tausend Jahre vor Beginn unserer Zeitrechnung – Metall, und zwar zunächst Kupfer, dann Bronze schmelzen lernten, mögen auch in unserem Tal schon Menschen gehaust haben; denn an der Ostseite des Buchberges hat man gelegentlich ein Bronzebeil und eine Gußform gefunden. Damals zerrieben die Frauen schon Körner von Hirse, Roggen, Gerste und Weizen auf steinernen Reibplatten. Sie hatten aber noch keine Eisengeräte, um den gefritteten Sandstein zu Mahlsteinen zu verarbeiten.


Inhalt:

Zur Geschichte der Mühlsteinbrüche ....... 4
    Geologisches ....... 4
    Zittau – Leipa – Oybin ....... 6
    Die Gründung von Jonsdorf ....... 8
    Beginn des Mühlsteinbrechens ....... 9
    Wechselvolle Entwicklung der Steinbrüche ....... 11
    Das Ende des Steinbruchbetriebes ....... 15
Die Arbeit in der Jonsdorfer Mühlsteinfabrik ....... 17
    Steinbruch und Kittschuppen ....... 17
    Abräumen und Sprengen ....... 18
    Abbänken ....... 20
    Rutsche ....... 21
    Kitten ....... 22
    Arbeitsorganisation ....... 23
    Das Leben der Steinbrucharbeiter ....... 29
    Die Steinbrecherfamilie Schmidt ....... 33
Geschichte der Erforschung der Jonsdorfer Steinbrüche ....... 37
Jonsdorf nach 1945 ....... 40
Lehrpfad durch die Mühlsteinbrüche 42
 
VEB F. A. Brockhaus Verlag Leipzig
Reihe:
Unser kleines Wanderheft 31
1. Auflage 1954
2. verb. Auflage 1961
3. verb. Auflage 1965
4. durchges. U. erg. Auflage 1967
5. durchges. U. erg. Auflage 1973

Cover der Ausgaben von 1954; 1965; 1973

Ergänzende Literatur:

Für Wanderungen und Reisen in der Oberlausitz empfehlen wir folgende Wanderliteratur und Wanderkarten:
VEB F. A. BROCKHAUS VERLAG LEIPZIG
     UNSER KLEINES WANDERHEFT
     • Heft 44 Oybin Lückendorf von Rudolf Paul Roßberg
     • Heft 53 Zittau von Rudolf Paul Roßberg
     • Heft 69 Jonsdorf Waltersdorf von Ernst Gäbler, Dr. Arno Kunze, Dr. Alfred Schubert
     STÄDTE UND LANDSCHAFTEN
     • Heft 24 Lausitzer Bergland von Hans Forster
VEB LANDKARTENVERLAG BERLIN
     WANDERKARTEN
     • Bautzen und Umgebung 1:50 000
     • Östliche Oberlausitz
       mit Löbau, Görlitz, Neugersdorf und Nebenkarte Teichgebiet um Niesky 1:50 000
     • Westliche Oberlausitz
       mit Kamenz, Pulsnitz, Königsbrück und Wittichenau 1:50 000
     • Zittauer Gebirge 1: 30 000

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