Buchanfang:
Es war ein armer Schneider, der lebte mit seiner Frau und seinen neun Kindern vom Kleidermachen; er wurde ständig schmaler, doch sein Beutel nicht dicker, und wie er sich auch plagte, er blieb immer auf der Hefe sitzen. Eines Morgens, als er wieder mit krummem Rücken auf dem Tisch hockte, trat die Nachbarin, es war die Frau des Barbiers, aus der Kammer und sagte zu ihm: «Dein Weib liegt im Bett, sie wird wieder ein Kind zur Welt bringen».
«Das soll sie», sagte der Schneider; «ich will indessen gehen und alle Vettern und Freunde einladen, denn es wird erwartet, daß wir einen Taufschmaus geben. Weil es aber das zehnte Kind sein wird, will ich den Bürgermeister zum Paten bitten». Er nahm eine Menge Windelehen, Deckchen und Lätzchen aus dem Kasten; derlei Zeugs hatte er, von den anderen Kindern, genug übrig; dann lief er gaßauf und gaßab, klopfte bei denen, die er kannte, und sprach: «In meinem Haus ist was Kleines fällig, ihr seid eingeladen».
Alle kamen, auch der Bürgermeister, der gern Bier trank.
Sie saßen Hintern an Hintern, tranken ein Faß Bier leer und warteten auf das Kind. Endlich steckte die Frau des Barbiers den Kopf durch die Tür und machte dem Schneider Zeichen mit der Hand. «Nun», sagte der Schneider, «ist es da?» – «Ich glaube», sagte die Frau des Barbiers. – «Du liebe Torheit», sagte der Schneider, «ja oder nein?» – «Es ist da», sagte die Frau des Barbiers, «aber ich frage mich, ob wir mit es beide die gleiche Sache meinen». – «Was soll ich denn meinen?» rief der Schneider, «mein Kind natürlich». – «Ach Gott», sagte die Frau des Barbiers, «es ist mir unmöglich, hierauf eine vernünftige Antwort zu geben».
Mit Zeichnungen von Heidrun Hegewald
Eulenspiegel Verlag, Berlin
1. Auflage 1966
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