Buchanfang:
Wir gehen mal zu Fridolin. Er wohnt im Dorf Schönemark, gleich hinterm großen dunklen Wald. Im Wald, so heißt es, haben früher die Riesen gehaust. Wenn abends, im Herbst der Wind überm Wald heult, dann denkt Fridolin: Vielleicht sind es doch die Riesen, die da ächzen und stöhnen. Aber der Vater sagt, das ist der Wind in den Bäumen. Im Wald wohnt auch ein Wildschwein, und Fridolin hat Angst davor, obgleich er es nie gesehen hat. Vor dem Wildschwein fürchtet er sich mehr noch als vor dem ollen Ganter von Bauer Krause oder vor Krügers Hund.
Am liebsten spielt Fridolin mit Indianern, mit dem Häuptling Adlerauge, mit dem Indianermädchen Wilde Blume. Er baut sich für seine Indianer kleine Zelte, kleine Landschaften und rettet mit dem Häuptling das Mädchen Wilde Blume aus den Händen der Weißen, die es geraubt hatten.
Aber in das Spiel kommt die Mutter und sagt: Fridolin, der Vater arbeitet mit dem Traktor auf dem Acker an der Waldecke. Es ist heiß und staubig. Bring ihm eine Kanne Tee.
Fridolin mault.
Dabei ahnt er gar nicht, was der Tag noch alles für ihn bereithält. Daß es der aufregendste Tag seines Lebens werden wird. Nun geh schon, du Fliegenpilz, sagt die Mutter. Sie lacht, sie lacht das Maulen weg, und Fridolin lacht auch. Er nimmt die Teekanne und geht. Den Indianerhäuptling Adlerauge steckt er in die Hosentasche.
Fridolin muß durchs ganze Dorf.
Am Konsum vorbei, wo die freundliche Frau Betty die beste Wurst der Welt verkauft –
Leider auch vorbei an Krügers Hund, der hochaufgerichtet am Zaun steht und kläffend sein grimmiges Gebiß zeigt und wie verrückt an seiner Kette zerrt –
Vorbei am Bürgermeisterhaus, darin der Bürgermeister sitzt und nachdenkt –
Vorbei am alten Kirchlein
und schließlich auch an Krauses ollem Ganter.
Fridolin nimmt sich einen Stock und will mutig am Ganter vorbei. Aber der wedelt wild mit den Flügeln und hat den Schnabel aufgerissen, als wollte er Fridolin verschlucken.
Ach, Fridolins Mut ist winzig klein geworden. Er macht einen weiten Bogen, und der Ganter zischt und faucht ihm verächtlich nach. Fridolin dreht sich um und schreit: Du altes Biest, du. Der Ganter aber hört nicht darauf, und Fridolins Mut wird durch sein Geschrei nicht größer.
Inzwischen sind Wolken aufgekommen, graue Wolken, und die Welt ist etwas dunkler geworden.
Illustrationen von Gertrud Zucker
Für Leser von 8 Jahren an
Der Kinderbuchverlag, Berlin
1. Auflage 1971
2. Auflage 1972
3. Auflage 1974
4. Auflage 1975
5. Auflage 1980
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