Einbandtext:
Montags früh haben mein Vater und ich schlechte Laune.
Dienstag ist ein guter Tag, denn dienstags haben wir nur vier Stunden.
Mittwochs habe ich Sorgen, sitze im Lehrerzimmer und warte auf Krawatte.
Donnerstags gehen wir zum Friseur, denn ich sehe aus wie Kommoden-Paul sein Bruder.
Freitags sagt mir Vater, daß ich Sonntag zur Oma gehen soll.
Sonnabends haben meine Mutter und ich schlechte Laune.
Sonntags geht es uns allen wunderbar. Sonntag ist der Sonntag vor meinem Geburtstag.
Harald Ahlgrimms Wochentage sind bunt, turbulent und gar nicht mal einfach. Aber sie sind unterhaltsam.
Für wen? Für Harald – und für Dich!
Buchanfang:
Der Montag
Heute ist Montag. Bei dir ist schon Freitag? Das kann sein. Aber das vergiß man schnell. Sonst kommen wir ganz durcheinander und kriegen gar keine Ordnung mehr in unsere Woche. Zum Beispiel dieser Frank. Nein, nicht der Frank aus deiner Klasse. Diesen Frank kennst du gar nicht. Dieser Frank wohnt genau 62,3 Kilometer weiter. Von eurer Haustür aus gerechnet. Mann, das ist vielleicht eine Strecke, was? Sogar eine Taube braucht mehr als eine Stunde dafür. Dein Onkel Gert mit seinem Motorrad auch. Doch. Es liegen nämlich sieben Dörfer auf der Strecke. Und die Baustelle, mein Lieber. Die Baustelle kostet einen viel Zeit. Aber ich will mich nicht mit dir streiten. Ich will bloß sagen: Wenn es nun gerade Mittwoch ist, als dieser Frank unser Buch aufklappt? Und wenn dieser Frank nun ein verflixter Streithammel ist und drauflos kräht, „heute ist Mittwoch, heute ist Mittwoch“? Siehst du wohl. Wir müssen uns einigen. Sonst kommen wir überhaupt nicht vom Fleck. Na klar, in deiner Woche kannst du selbst bestimmen. Aber dies ist meine, da bestimme ich. Ich sage: Heute ist Montag.
Montags früh haben mein Vater und ich schlechte Laune. Meine Mutter hat montags früh gute Laune. Eigentlich, heißt es, soll man gar keine Launen haben. Aber wir haben welche. Mein Vater sitzt mir gegenüber und rührt in seiner Tasse. Der Kaffee, sagt er, wird auch immer heißer. Dann steht er auf und geht zur Schlafzimmertür. Er sagt: „Jutta, verstell dich nicht, du schläfst ja gar nicht mehr. Der Kaffee wird auch immer heißer, und heute ist schon wieder Montag, da kommt doch bestimmt wieder dieser Stultze-Schrey in die Redaktion, und ich muß ihm wieder sagen, daß seine Geschichte nicht hinhaut, weil selbst der größte Trottel einen Radioansager nicht mit einem sprechenden Kakadu verwechseln kann. Du brauchst dich gar nicht zu verstellen.“ Meine Mutter schweigt wie das Grab. Sie ist eine richtige Verstellungskünstlerin. Mein Vater setzt sich wieder zu mir in die Küche. Er murmelt, daß man Lehrerin sein müßte, mit einem freien Tag in der Woche. Kein Wunder, daß die Kinder nichts mehr lernen. Der sollte man einmal mit in die Schule kommen, da könnte er feststellen, daß wir wie die Verrückten lernen. Er sagt so etwas aber nur montags. An den anderen Wochentagen stehen wir alle zur gleichen Zeit auf und haben alle die gleiche Laune. Bis auf Sonnabend. Das kommt noch. Heute ist ja erst Montag. „Papa“, sage ich, „der Mann, schläft der am offenen Fenster?“
„Ach du liebe Güte, welcher Mann denn nun schon wieder“, sagt mein Vater.
„Na, der aus der Geschichte von Herrn Stultze.“ Ich kenne diese Geschichte schon ganz gut. Die letzten drei Montage hat mein Vater schon über Herrn Stultze und seine Geschichte geschimpft. In der Geschichte kommt jedenfalls ein Mann vor, der eine unheimlich wichtige Verabredung hat. Der Mann liegt im Bett. Weil er wissen will, ob er schon rauskriechen muß, hat er das Radio eingeschaltet. Aber „auf Grund eines idiotischen Zufalls“, wie mein Vater sich ausdrückt, ist erstens das Radio plötzlich kaputt und sitzt zweitens ein Kakadu auf der Gardinenstange. Das Radio ist also still. Jedoch der Kakadu schreit immer „Fünf Uhr siebenundvierzig!“ Warum, weiß ich auch nicht. Die Geschichte ist ja von Herrn Stultze. Jedenfalls ist es aber schon viel später, und der Mann verpaßt die Zeit, und es hat schlimme Folgen. Also, so meint mein Vater, hängt die ganze Geschichte von der dummen Verwechslung ab. Ich habe mir aber auch meine Gedanken gemacht. Ich sage: „Nämlich wenn der Mann am offenen Fenster schläft, könnte sich vielleicht ein anderer Mann ranschleichen und die falsche Zeit herbeten. Dann braucht man gar keinen Kakadu. Nicht?“
Illustrationen von Heinz Handschick
Für Leser von 9 Jahren an
Der Kinderbuchverlag, Berlin
1. Auflage 1971
2. Auflage 1972
3. Auflage 1973
4. Auflage 1974
5. Auflage 1976
6. Auflage 1979
7. Auflage 1981
8. Auflage 1983
9. Auflage 1988
Neuauflage
Kinderbuch-Verlag, Berlin
1. Auflage 2000 | Ill. von Rainer Sacher
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