Buchinfo
Rosa Burger ist die Tochter eines angesehenen Johannesburger Arztes, der als Kommunist im Gefängnis stirbt. Mit Mitte zwanzig ist Rosa allein und, wie sie glaubt, frei von familiären Verpflichtungen und den Fesseln der Vergangenheit - sie will sich von den Idealen ihrer Eltern lösen und ein eigenes Leben führen. Nach vielen Monaten erhält sie endlich einen Reisepaß und fährt nach Frankreich, um zu lernen, wie man dem Vater abtrünnig wird. Doch weder in der schützenden Anonymität europäischer Verhältnisse noch in der Liebesbeziehung zu einem liberalen französischen Intellektuellen findet Rosa zu sich selbst. Erst nach der Begegnung mit ihrem schwarzen Kindheitsgefährten weiß sie, wohin sie gehört. Der komplizierten Entwicklung dieser jungen Frau wird die Erzählstruktur des Romans voll gerecht. Das in inneren Monolog, szenische Darstellung und Bericht, in Erinnerung, Assoziation und philosophische Reflexion aufgefächerte Werk bezieht seine geistige Spannung aus den politischen Auseinandersetzungen der siebziger Jahre in der Republik Südafrika. "Ich weiß nicht sehr viel über die Partei", sagte die Autorin in einem Interview, "aber ich bin einer Reihe ihrer Anhänger sehr verbunden, ich habe gesehen, wie mutig sie sich einsetzen - und das hat mich wiederum ermutigt, ,Burgers Tochter' zu schreiben." Das Buch wurde, wie sie befürchtet hatte, in der Republik Südafrika verboten und erst nach weltweitem Protest von der Zensur freigegeben. Dabei impliziert Nadine Gordimers Würdigung der südafrikanischen Kommunisten zugleich starke subjektive Vorbehalte, die sie offen darlegt. "Ich kenne die Ideologie nicht: Es handelt sich um das Leiden. Wie dem Leiden ein Ende bereitet werden kann" - dieses Bekenntnis zu einem tätigen Humanismus, das nicht nur literarisches Credo, sondern täglich bewiesene Lebenshaltung ist, macht ihre Geschichte über Rosa Burger zu einem der beeindruckendsten Romane gegen die Apartheid.
Buchbeginn
In der Gruppe von Leuten, die an der Festung warteten, stand ein Mädchen in braun-gelber Schulkleidung mit einer grünen Daunendecke über dem Arm und einer roten Wärmflasche, die es an der Öse am Schraubverschluß hielt. Einige Busse fuhren damals dort vorbei, und Fahrgäste, die hinausschauten, werden das Schulmädchen bemerkt haben. Man stelle sich vor, ein Schulmädchen: sie muß jemanden drinnen haben. Wer sind all diese Leute überhaupt? Selbst vom Oberstock eines Busses aus, der vorbeischlingerte, als die Ampel grün wurde, muß die Gruppe nicht ausgesehen haben wie Gefängnisbesucher sonst, passiv und scheu auf dem Abhang mit städtischem Rasen.
Autorin
Nadine Gordimer wurde 1923 in Springs, Transvaal, als Tochter eines aus Litauen eingewanderten Juden und einer Engländerin geboren. Sie studierte an der Universität von Witwatersrand, Johannesburg, und lebt in Johannesburg. Wiederholt reiste sie nach Europa und in die USA, wo sie an verschiedenen Universitäten Gastvorlesungen über schöpferisches Schreiben, über südafrikanische Literatur und Politik hielt. Sie war fünfzehn Jahre alt, als ihre erste Kurzgeschichte in einer südafrikanischen Zeitschrift erschien.
Aus dem Englischen von Margaret Carroux
Volk und Welt Berlin
1. Aufl., 1989
3353005781
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