06 September 2025

Erwin Strittmatter: Ein Dienstag im September

Buchinfo

Es ist, als schaute man durch sechzehn Fenster in die Welt, um sie auf neue Art sich zu erobern: schmunzelnd auf den mägdelüsternen und Hörner tragenden Onkel im Ausbauernhof, ärgerlich auf den fetten Schleicher mit der tödlichen Wettsucht, nachdenklich auf den alten Adam, der dem Geheimnis Elektrizität auf der Spur ist, und stolz auf den bildungshungrigen Pflüger Werner Wurzel, der sich ein eigenartiges steinernes Denkmal setzt. Lust und List, Starrsinn und Frohsinn, Stillstand und Fortschritt: Ausblick wird gewährt auf ein Panorama mit Landschaften und ganz alltäglichen Begebenheiten von gestern und heute - und Einblick erlaubt in das Schaffen eines Schriftstellers, der mit seinen Kurzgeschichten und Erzählungen genaues Lesen lehrt und das Vergnügen zu denken.


Buchbeginn

Onkel und Tante waren Ausbauern, lebten seit der Erschaffung meiner Welt auf ihrem Hofe, und jedes Sandkorn dort kannte sie. Vorzeiten mochten die Kinder der Hofstelle aus der Erde gekrochen sein, doch Generationen von Heidbauern verfeinerten die Erdhöhle mit Gebälk und Gemäuer zu einem Gehöft.
Onkel und Tante beunruhigten ihre Äcker mit Pflügen und Hacken, reizten sie mit Tiermist zu Taten, und die Taten der Äcker waren Lein, Kartoffeln und Buchweizen. Onkel und Tante aßen Kartoffeln, brieten sich Kartoffeln und gequollenen Buchweizen in Leinöl und wurden wandelnder Sand von ihren Äckern.

Aufbau-Verlag

 

Erwin Strittmatter: Schulzenhofer Kramkalender

Buchinfo

Was Brecht für notorische Dummköpfe empfahl, warum Wissen unruhig macht, zu welchem Zweck der Großvater Zauberrunen in die Kürbishäute ritzte, weshalb zuwandernde Stare die Autorität eines Vaters retten können, wie es kam, daß sich der Bussard vor den Krähen duckte, und wieso der siebente Schnaps den Postboten eifersüchtig machte - all das erfährt man aus dem "Schulzenhofer Kramkalender". Er enthält zweihundert poetische Miniaturen, Kalenderblätter von außergewöhnlichem literarischem Reiz. Es sind Kurzgeschichten, Anekdoten, Naturschilderungen, Tierbeobachtungen, verknüpft mit kleinen und großen Lebensweisheiten. Der Leser erlebt Landschaft und Leute der Mark, vor allem aber die Persönlichkeit eines Schriftstellers, der mit sich und seiner Umwelt Zwiesprache hält.


Buchbeginn

,Kalendersterne' Wenn Nebel über den Feldern und über dem Dorf lag, machte Großvater ein Kreuz in den Kalender. "Nebel gibt nach hundert Tagen Regen", behauptete er. Morgennebel, Abendnebel, Ganztagsnebel - alle wurden von Großvater zum Wettermachen verwendet.
Manchmal regnete es an einem von Großvaters angekreuzten Tagen wirklich, manchmal nicht. Dann mußte Großvater sich herausreden: Das Gewitter war über der Kreisstadt niedergegangen, oder der Regen konnte nicht zu Stuhle kommen, weil das Land zu ausgedörrt war.

Aufbau-Verlag Berlin und Weimar
4. Auflage 1971