Georg Piltz beschreibt anschaulich das Schicksal der Stadt Magdeburg ab der Zeit von Karl dem Großen (um 805) bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg.
Buchanfang:
Die Lage am Strom prägte das Antlitz der Stadt. Von Westen her bleibt sie ohne Profil: Ihre Vororte, die sich, Fangarmen gleich, der weiten Ebene der Börde entgegenstrecken, unterscheiden sich in ihrer Nüchternheit nicht von denen anderer deutscher Großstädte. Eine Insel verstellt den Blick von der östlichen Niederung. Erst vom Ufer des Stromes aus offenbart die Stadt ihre Eigenart. In einer weiten Bewegung schiebt sich ein niedriger Höhenzug an die Elbe heran. Und auf dieser breiten Felsbarre, der letzten, die der Strom vor seinem Eintritt in die Norddeutsche Tiefebene zu durchbrechen hat, aus der glatten Wasserfläche gleichsam hervorwachsend, erhebt sich die Masse der Häuser und Kirchen, erhebt sich Magdeburg.
Die Stadt drängt zum Strom. Die einzige Hauptstraße, die sie bis in das neunzehnte Jahrhundert hinein besaß, der Breite Weg, folgt dem Lauf der Elbe. Von hier aus streben die eng umbauten, licht- und luftlosen Gassen der Altstadt dem Ufer zu. Die stromabwärts gelegenen Viertel zwischen dem Alten Markt und dem Tränsberg gehörten bis 1945 zu den dichtestbesiedelten Gebieten Deutschlands. Eine geräumige Ostwest-Verbindung fehlt noch heute: Der Drang, der großen Ernährerin Elbe nahe zu sein, ließ selbst die lebenswichtige Straße zu den Brücken verkümmern. Das Verlangen, auf das andere Ufer des Stromes hinüberzugreifen, hat diese Stadt nie gespürt. Erst die militärische Notwendigkeit, den stärksten Waffenplatz des preußischen Staates auch gegen Osten zu sichern, führte 1731 zur Gründung der Friedrichstadt, des heutigen Brückfelds.
Magdeburg, sagt man, sei eine reizlose Stadt. Aber das ist falsch. Ihre Schönheit ist nur von besonderer Art, und die Entdeckung des Verborgenen erfordert Arbeit und Spürsinn. Der oberflächliche Betrachter wird das Gewinkel der altstädtischen Gassen vielleicht öde und die eigenartige Silhouette lediglich sonderbar finden. Die Tatsache, daß das äußere Bild eines Gemeinwesens stets Spiegelung seiner Geschichte ist, wird ihm verborgen bleiben. Grundriß und Silhouette sind für ihn leblose Dinge oder bestenfalls Gegenstände ästhetischer Betrachtungen. Die Geschichte ist der einzige Schlüssel zum Verständnis der Magdeburger Eigenart. Der einzige, denn das mittelalterliche Magdeburg ging im Feuersturm der Zerstörung von 1631 zugrunde. Was erhalten blieb, war der von einem tausendjährigen historischen Geschehen geformte mittelalterliche Stadtplan mit seiner eigentümlichen Gruppenbildung. Es sind im Grunde zwei Städte, die sich innerhalb der alten Mauern und Wälle gegenüberstehen, und die bis ins siebzehnte Jahrhundert gebrauchte Ratsformel von der „Oldenstadt to Magdeborch“ ist juristischer Ausdruck dieser Trennung. Zwei Städte: Im Süden der Dom, die Stiftskirche St. Sebastian und das Kloster Unser Lieben Frauen; im Norden, durch einen weiten Zwischenraum unmißverständlich abgegrenzt, die Pfarrkirchen St. Johannis, St. Ulrich, St. Katharinen, St. Jakob, St. Peter und die Augustinerkirche. Zwei Städte: Im Süden, um den weiträumigen Domplatz gruppiert, die Stiftsfreiheit, einst Sitz der geistlichen Feudalherren; im Norden, mit dem Zentrum Alter Markt, die Bürgerstadt. Bis ins vierzehnte Jahrhundert waren beide Siedlungen durch Ketten voneinander getrennt, auf dem Domplatz galt ein anderes Recht als auf dem Alten Markt, .....
Umschlag- und Einbandentwurf: Erich Weber
Sachsenverlag Dresden
1. Auflage 1954
2. Auflage 1955
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