10 Mai 2020

Jayne Anne Phillips: Das himmlische Tier

Das Klirren zerbrochener Tabus war die vernehmliche Begleitmusik des Aufstands der amerikanischen Jugend in den sechziger und siebziger Jahren. Endete er für den einzelnen oft mit der Rückkehr aus der anarchischen Selbstverwirklichung ins bürgerliche Erwerbsleben, so war doch in Politik, Gesellschaft und Ethik nichts mehr so wie vorher. Politische Schranken waren durchbrochen worden, vom Vietnamprotest und von der Bürgerrechtsbewegung, noch stärker aber wurden sexuelle Konventionen mißachtet von einer Jugend, die keine Zwänge respektieren und ihr Glück, oder was sie dafür hielt, auf neuen Wegen suchen wollte. All diese verworrenen, aber höchst lebendigen und vielversprechenden Bewegungen fanden ihren Niederschlag auch in der Literatur, der sich neue, bisher tabuisierte Themen öffneten und die nach neuen Formen suchte, um diese Stoffe zu gestalten.
Ein hervorragendes Beispiel der literarischen Bewältigung dieser noch frischen Erfahrungen sind die 27 Erzählungen von Jayne Anne Phillips. Aus ihnen formt sich ein Mosaikbild der amerikanischen Gesellschaft unserer Tage, das vom gutbürgerlichen Vorstadthaus bis zur Kellerwohnung, von der Fernfahrerkneipe bis zum Pornoshop reicht. Geschäftsleute, Studentinnen und Gelegenheitsarbeiter, Junkies, Tänzerinnen und Strichmädchen bevölkern dieses Milieu. Mit harten Tatsachen konfrontiert uns die Autorin, aber sie läßt uns auch in die Menschen hineinsehen und erkennen, wieviel Menschlichkeit sie sich bei aller Deformierung durch die Gesellschaft bewahrt haben.

Aufbau-Verlag Berlin und Weimar, 1. Auflage 1983
Edition Neue Texte
Schutzumschlagentwurf: Heinz Hellmis
Deutsch von Walter Hartmann

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