09 Mai 2020

Konstantin Paustowski: Begegnungen mit Dichtern

Wer Paustowskis "Goldene Rose" kennt, wird auch mit Freuden nach diesem Band greifen. So wie ihm in der "Goldenen Rose" eine Plauderei über sein schriftstellerisches Handwerk zu einem wahren Kunstwerk und zur Darstellung eines Gutteils seines eigenen Lebens gedieh, gleichermaßen hat auch alles, was er über Werk und Person jener Dichter, denen er begegnete, zu sagen hat, nichts mit einer trockenen literaturwissenschaftlichen Abhandlung zu tun, sondern ist immer und überall ein rein dichterisches Zeugnis und zudem ein höchst persönliches Bekenntnis. Demzufolge steht auch ein jeder dieser Dichter so lebendig vor Augen, als spräche er selber zu uns: Isaak Babel, der Magier des Wortes, sein verehrter Meister und geliebter Freund, als Mensch ebenso faszinierend wie als Schriftsteller, ironische Schärfe und träumerische Weichheit, grenzenlose Güte und unbarmherzige Kritik miteinander verbindend; ganz anders wieder Alexander Kuprin, eine lebensstrotzende, abenteuerliche Gestalt, zu Hause unter Matrosen und Zirkusleuten; dann ein Typus ganz besonderer Art: Michail Bulgakow, Freund schon vom Kiewer Gymnasium her, ein Dichter, besessen von seinem Werk, auf den das Dämonische seiner Bücher anscheinend übergegriffen hat; völlig von ihm unterschieden der große Lyriker Alexander Blok, überzart, höchst verletzlich, abseits vom lauten Treiben der Welt, aber den innersten Herzschlag des Volkes erlauschend; oder auch Bunin, ein aristokratischer Einzelgänger, doch mit heißer Liebe zu Rußland erfüllt, dessen verborgene Schönheiten er in der wohl edelsten Prosa der neueren russischen Literatur verherrlicht hat; hinzu gesellen sich noch Prischwin mit seiner Liebe zum schlichten Menschen und den unendlichen Wäldern des Nordens, Grin, der versponnene Träumer einer paradiesischen Welt, und Olescha, der frohe, weise und so tapfere jüdische Poet aus Odessa. Aber auch zwei Dichter aus ganz anderen Sphären und aus einer ganz anderen Epoche werden von Paustowski gewürdigt und gefeiert: Hans Christian Andersen und Edgar Allen Poe, die wohl phantasiemächtigsten Erzähler ihrer Zeit, nur daß der erste aus seiner Seele ein lichtes Märchenreich gebar, während aus dem Geist des letzteren eine Nachwelt gespenstischen Grauens entstieg. Und immer wieder tritt Paustowski selber in Erscheinung, sei es im Zusammensein mit den geschilderten Dichtern, sei es bei der ihm zum tiefen Erlebnis werdenden Lektüre ihrer Werke, und so zieht er den Leser zu dessen Gewinn und Beglückung tief in seine Zwiesprache mit diesen Menschen und ihren Büchern hinein.

Gustav Kiepenheuer Verlag Weimar, 1975
Gustav Kiepenheuer Bücherei

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