11 November 2020

Elisabeth Antkowiak (Hrsg.): Die Gerechtigkeit des Himmels – Geschichten um Liebe, Ehe und Treue


 „Und lieben, ihr Leute, könnt ihr auch lieben?“ Er fragt es ein wenig „von oben herab“, der zugereiste Signore. Wie sollten sie denn in diesem entlegenen Abruzzendorf viel Ahnung haben vom „Schönen und Gescheiten und Wichtigen der Welt“! Vielleicht denkt er an die berühmten Liebespaare der Weltgeschichte und deren von Größe, Leidenschaft und nicht selten vom Tod umwitterten Schicksale, wie sie uns aus den Büchern der Dichter und von der Bühne her vertraut sind. Vielleicht auch denkt er nur an einige spektakuläre Liebesangelegenheiten, die „von sich reden machten“ in seinem Erfahrungsbereich.

Hier, in diesem „Dorf ohne Uhren, Schulbücher und ohne ganze Hosensäcke“, was wird es schon Aufregendes geben! Aber da kommt er ihnen grad recht, der Signore! Und wie sie dann erzählen, die Dorfbewohner, von Sibilla und Taddeo, da kann er nur noch nachdenklich stille werden und beschämt, ja demütig schweigen.

Und wir mit ihm, auch wenn wir z. B. von der Magd Lenka und dem Holzfäller Stanislaus Brylka hören oder von Juriaan van Royen und seiner Frau Deltje, seiner „kleinen Taube“, von Niccoline Johanna, der Pfarrerstochter, und anderen „bijwonern“ um die Jahrhundertwende in der Abgeschiedenheit der „Kleinen Karru“, jener sonnenverbrannten kargen Hochebene im afrikanischen Kapland. Im schmucklosen Berichten, in der herben Nüchternheit der Erzählweise von Pauline Smith erstehen sie als „Menscheit“, wie Alan Paton sagt, „zerbeult, verrunzelt, alt und krumm, aber wunderschön“ und an die „demütige Majestät“ unserer „Menschenfamilie“ erinnernd.

In unserem Buch werden wir meistens unauffälligen, „unbedeutenden“ (!) Menschen begegnen mit kaum dramatisch-außerordentlichen Lebensumständen. Es sind Liebende, die ihre Liebe fraglos-selbstverständlich eingebettet in ihren Alltag leben und die keine überbordende Fülle von Briefen, keine glutvollen, noch nach mehr als hundert Jahren hinreißenden Gedichte zu ihrem Zeugnis haben wie das englische Dichterpaar Elizabeth Barrett-Barrett und Robert Browning, dessen Liebe eine ganze Gesellschaft, die kultivierte, literarisch gebildete Society Englands, in Atem hielt. Angesichts einer verständnislosen Umwelt ging der Wunsch der Liebenden: „Gott segne dich und dadurch mich!“ in einer strahlenden, überwältigenden Weite in Erfüllung. …

Darum soll auch in diesem Buch zum Beginn von ihr erzählt werden, was Briefe erzählen. Dazu sollen – auch wenn es auf den ersten Blick merkwürdig und gewagt, vielleicht nicht gut gewagt, erscheint – als Zwischenglieder in die Kette der Geschichten mir ihrer einfachen Erzählweise Zitate aus den anspruchsvollen Briefen Elizabeths und Roberts eingebunden werden. … (Elisabeth Antkowiak)

St.-Benno-Verlag-GmbH, Leipzig, 1. Auflage, 1985
Mit Illustrationen von Peter Laube.

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