06 Oktober 2023

Fred Wander (Hg.): Maxie Wander: Tagebücher und Briefe

 "Meine Eltern sagten immer: Du darfst nichts tun und nichts sagen, was du nicht ehrlich meinst. Sie haben mich gegen die Heuchelei erzogen", sagt die Rosi in Maxie Wanders erstem Buch "Guten Morgen, du Schöne". Es sind Maxie Wanders eigene Gedanken, die hier zum Ausdruck kommen. Sie war eine unbequeme Zeitgenossin, "unbequem", weil unbestechlich und von Zorn erfüllt über die Korruptheit, das Konsumdenken, das blinde Sichfügen und Resignieren vieler Menschen in unseren Reihen. Daß sie auch bei kleinen Anlässen gern "auf die Barrikaden" ging und offen ihre Meinung sagte, brachte sie häufig in Konflikte, ließ sie auch unsachlich werden, was die meisten Freunde und Genossen, die sie kannten, an ihr mochten und tolerierten, denn sie war uneigennützig in ihrer Kampfbereitschaft bis zur Selbstverleugnung.
Maxie Wander ist 1933 in Wien geboren, Kind einer Arbeiterfamilie, und aufgewachsen in Hernals, einem der "roten" Vorstadtbezirke Wiens. Ihr Denken und Handeln wurde geprägt von der Solidarität der Bewohner der "Gemeindehäuser" unter dem Terror der Nazizeit. Die entscheidenden Erlebnisse ihrer Kindheit spiegeln sich auch im Buch wider. Ihre Eltern wie auch andere Mitglieder der Familie arbeiteten illegal für die kommunistische Partei Österreichs, ein Fakt, der den Kindern bis 1945 verborgen bleiben mußte, sie jedoch fürs Leben vorbereitet hat. Der kämpferische Geist der dreißiger Jahre (aus der Zeit der Illegalität) hat Maxie Wander nie verlassen, ihre "Tagebücher und Briefe" bezeugen es.

Buchverlag Der Morgen Berlin, 7. Auflage 1984


Maxie Wander hat sich, auch über die Grenzen unseres Landes hinaus, einen Namen gemacht mit ihren Frauenporträts "Guten Morgen, du Schöne". Ihre seltene Begabung bestand darin, andere zu bewegen, bisher Ungewußtes und Unausgesprochenes, Verdrängtes und Tabuisiertes zur Sprache zu bringen. Mit welcher Konsequenz sie selbst dazu fähig war, zeigen ihre "Tagebücher und Briefe": intimste Äußerungen, die in ihrer menschlichen Ausstrahlung deshalb besonders berühren, weil sie nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren.
Maxie Wander starb vierundvierzigjährig an Krebs. Mit den aus dem Nachlaß zusammengestellten Aufzeichnungen wird dem Leser nach den Frauenprotokollen das Selbstprotokoll der Autorin in die Hand gegeben. Die Auskünfte der Maxi Wander, so persönlich sie sein mögen, sind mehr als die Geschichte einer Kranken, die nicht kapitulieren wollte. Ihre Fragen nach menschlicher Verantwortung und Moral treffen zentrale Momente unserer Existenz. Zwischen Selbstzweifel und Hoffnung äußern sich ein ungebrochenes Interesse an der Welt und den Menschen, Trauer über gezähmte Ansprüche, Empörung über freiwillige Unmündigkeit, eine starke ursprüngliche Lebensbejahung. Dieses Buch, in dem Krankheit und Tod den Maßstab zur Bewertung des Lebens setzen, ist eine Herausforderung an uns.

Aufbau-Verlag Berlin und Weimar
3. Auflage 1990
bb


2 Kommentare:

  1. Ein sehr schönes, bewegendes Buch.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ich muss sie jetzt endlich mal lesen. Dieses Buch habe ich ja jetzt erst bekommen, aber zum Beispiel "Guten Morgen, du Schöne" steht schon lange ungelesen im Regal.

      Löschen

Wichtiger Hinweis

Seit dem 25. Mai 2018 gilt auch in Deutschland die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO).

Mit der Abgabe eines Kommentars erklärt Ihr euch einverstanden, dass personenbezogene Daten (z.B. IP-Adresse, Standort des Logins etc.) eventuell abgespeichert und für Statistiken von Google weiterverarbeitet werden.

Beim Absenden eines Kommentars für weitere Benachrichtigungen auf Folgekommentare erklärt ihr euch ebenfalls einverstanden, dass personenbezogene Daten (z.B. IP-Adresse, Standort des Logins etc.) abgespeichert werden.