
Als 1966/67 Bulgakows Nachlaßwerk „Der Meister und Margarita“ erschien, war einer der ganz Großen der Weltliteratur des 20. Jahrhunderts entdeckt. Noch 1962 hatte Anna Seghers die Frage aufgeworfen: „Kann der Teufel sich noch einmal in einer Dichtung unserer Epoche verselbständigen? Nicht entmachtet, entteufelt…, sondern… als Widerspiegelung eines grauenhaft verlockenden Zweifels, der heute Menschen verwirrt?“ Der 1891 in Kiew geborene Michail Bulgakow hatte diese Frage mit seinem Roman, an dem er von 1928 bis zu seinem Tode 1940 arbeitete, auf überraschende Weise beantwortet. Überraschend war, daß sein Teufel Voland, der im Moskau der 30er Jahre Unredliche, „tote Seelen“, aufstöbert und straft, nicht in die gewohnte Vorstellung vom Bösen paßte, die wir vom Buch Hiob über Goethes „Faust“ zu Dostojewskis „Brüder Karamasow“ und Thomas Manns „Doktor Faustus“ kennen: Er reißt alle und jegliche Masken herunter, ist nicht der Beschützer, sondern ein Provokateur des Bösen. Er führt das Böse bis zum Absurden, wo es sich selbst entlarvt und unter der eigenen Last zusammenstürzt. Mehr noch: Er belehrt die Naiven und Dummen und hilft den Guten sowie jenen, die „strebend sich bemühen“. Diese Belehrung weitet sich bis zu einer Neusicht der Menschheitsgeschichte seit Jesus und Pilatius aus heutiger Erfahrung. Der „Teufelsroman“ entfaltet sich zu einer neuen geschichtsphilosophischen Zeitalterdichtung in der Tradition des „Faust“ und der „Brüder Karamasow“.
Als Landarzt 1916/1917 bemühte sich Bulgakow, die „ägyptische Finsternis“ zaristischer Unkultur und Barbarei durch die „Ströme der Aufklärung“ zu überwinden. In seinem Revolutionsroman „Die weiße Garde“ (1923/24) gestaltete er, wie vielschichtig und kompliziert dieser Kampf des Lichtes gegen die Finsternis ist. Der Novellenzyklus „Die Teufeliade“ (1926) zeigt Bulgakow bereits auf der Jagd nach „toten Seelen“, auf dunkle Kräfte und Instinkte der Vergangenheit, die unter der Oberfläche noch wirksam sind und tragische Kollisionen heraufbeschwören. Auch seine 14 Dramen behandeln dieses Thema in Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft, immer beunruhigt auf der Suche nach dem „Goldenen Zeitalter“.
Verlag Volk und Welt Berlin
Aus dem Russischen von Thomas Reschke
Von dieser Ausgabe wurden hundert Exemplare als Vorzugsausgabe arabisch sowie zehn nicht für den Handel bestimmte Verleger- und Künstlerexemplare römisch numeriert und von Hans Fronius signiert.
ex libris Volk und Welt, 3. Auflage 1979
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