27 März 2021

Günter Wallraff: Wir brauchen dich. Als Arbeiter in deutschen Industriebetrieben

H. Günter Wallraff sammelte das Material für die vorliegenden Reportagen, seiner ersten Buchveröffentlichung, in fünf der größten westdeutschen Industriebetriebe: bei Ford – Köln, bei Siemens – München, bei Blohm & Voß – Hamburg, in den Benteler-Werken – Schloss Neuhaus, bei Thyssen – Duisburg. Zwei Jahre, 1964 und 1965, arbeitete er als Arbeiter und Hilfsarbeiter am Fließband und im Akkord. Ursprünglich hatte er – nach seinen eigenen Worten – keine literarischen Ambitionen. Er wollte eigentlich nur selbst erfahren, „was hinter dem Gerede von ‚Wirtschaftswunder‘, ‚Sozialpartnern‘ und all den anderen schönen Begriffen wirklich steht“. Was er erlebte, was er sah und hörte und in diesen Reportagen sachlich nüchtern, mit dokumentarischer Genauigkeit aufzeichnet, entlarvt diese „schönen Begriffe“ auf das krasseste. In keinem Buch der westdeutschen Gegenwartsliteratur wird ein so klares Bild von der Ausbeutung des Arbeiters in der Bundesrepublik, vom Grad seiner Entmenschlichung, von den Manipulationen der Unternehmer gezeichnet. Schadenersatzforderungen seitens der Werkleitungen und Ermittlungsverfahren waren die Folge. Andere Erfahrungen machte H. Günter Wallraff in Diskussionen mit Arbeitern. „Wichtig für mich ist“, sagte er in einem Interview, „dass Arbeiter, oft durch jahrzehntelange Gewöhnung ‚betriebsblind‘ geworden, durch meine Industriereportagen wieder ’normal sehen lernten, das heißt sich ihrer eigenen Situation bewusst wurden und nach Änderung verlangten, das System, das dahintersteht, zu durchschauen begannen.“ Und er fügt hinzu: „Vielleicht kann man das, was ich mache und was auch andere machen, als eine Art Bitterfelder Weg betrachten, mit dem allerdings bedeutenden Unterschied, dass hier in der Bundesrepublik nicht gefördert wird.“

Aufbau-Verlag, Berlin und Weimar, 1. Auflage, 1968
Mit einem Nachwort von Christian Geissler.

 

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