Alltagsbegebenheiten auf der Bühne – und was könnte alltäglicher sein als eine auf den Klippen sozialer und emotionaler Frustration scheiternde Ehe, als ein Kohlentrimmer, dem die Arbeit Spaß macht? „Ich habe jeden Grund zur Scheidung! Ich bin verheiratet!“ verkündet der Möchtegern-Playboy in E. A. Whiteheads Tragikomödie. „Ich bin mein eigner Boß, kann mit meiner Zeit machen, was ich will. Das reicht grade zum Leben, und ich bin zufrieden“ – diese Maxime setzt der Kohlentrimmer Billy im parabel-ähnlichen Stück von Barry Hines der demonstrativen Wohlstandstüchtigkeit entgegen. Alltagsbegebenheiten in einer Welt, in der das Image wichtiger ist als das Wesen, wo die Ehe zur „Farce einer Farce“ wird und wo sich hinter dem Wort „Freizügigkeit“ entwürdigende gesellschaftliche und private Beziehungen verbergen. Dort dauert eine mit aller Raffinesse geführte Eheschlacht, ein zermürbendes Catch-as-catch-can neun Jahre, Zeichen einer Scheinmoral, die den wirklichen Möglichkeiten des Menschen im Weg steht. Und da rettet sich der seines Lebensinhalts beraubte Kohlentrimmer in anarchisches Aufbegehren, weil er sich nicht einreihen lassen will in die endlose Kolonne manipulierter Verbraucher.
Am Beispiel dieser Duodramen wird deutlich: Das englische Theater unserer Zeit ist lebendig und zeitnah, vor allem dann, wenn die Stückeschreiber sich weigern, Vertrautes heiligzusprechen. Witz und Ironie, Einfallsreichtum und Sparsamkeit der Mittel, realistische Präzision der dramatischen Gestaltung, der Dialogführung und des Figurenaufbaus zeichnen diese Stücke aus und machen sie zu einem nicht alltäglichen Leseerlebnis.
Verlag Volk und Welt, Berlin 1975
Spektrum
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