26 Juli 2021

Fjodor Michailowitsch Dostojewski: Raskolnikow


 Band 1

Durch die Straßen Petersburgs irrt ein junger Mann, ein Student, von einem Plan getrieben. Und dieser Plan ist: Mord. Sein Ziel ist eine alte Wucherin, auf deren Geld es der Student Raskolnikow abgesehen hat. Er ist von einer Wahnidee befallen, kraft deren sich der arme Student berechtigt glaubt, der reichen Frau das Geld zu nehmen. Er will es ihr nehmen, weil sie es mit Unrecht und Betrug erworben hat, und er will es haben, weil er anderen damit helfen kann. Aber als er es hat, macht er keinen Gebrauch davon, sondern stellt sich nach unendlichen Gewissensqualen der Polizei.

Dieser berühmteste Roman Dostojewskis zeigt jedoch mehr als nur das Denken und Handeln eines Menschen im Rußland des 19. Jahrhunderts: Er stellt eine Gesellschaftsordnung bloß, die Theorien wie die des Rechtes „Auserwählter“ möglich machte, und zeigt auf diese Weise ihre Ausweglosigkeit. Damit kritisiert der Autor nicht nur Zustände im Rußland seiner Zeit, sondern einer ganzen Epoche. Und deshalb hat dieser Roman, der vor genau 100 Jahren zum erstenmal erschien, auch heute noch nichts von seiner Bedeutung verloren.


Band 2

In den Jahren 1846-49 hatte sich Dostojewski an revolutionären Zusammenkünften beteiligt, die 1849 zu seiner Verhaftung führten. Das Todesurteil war über ihn und seine Gefährten gesprochen, das Hinrichtungskommando aufmarschiert, und die Gewehre waren schon angelegt – da erfolgte die Begnadigung durch den Zaren: vier Jahre Zwangsarbeit in Sibirien. In einem alten, baufälligen Zuchthaus in Omsk, zusammen mit Mördern und Dieben, verbüßte Dostojewski diese „Gnade“. Hier lernte er aber nicht nur die Verbrecher kennen, sondern auch die Ursachen, durch die sie zum Verbrechen gedrängt worden waren. Er spürte sehr bald, daß es die Zustände im zaristischen Rußland waren, die manchen talentierten Menschen auf diesen Weg geführt hatten. Er sah, wieviel Kräfte hier ungenutzt zugrunde gingen, weil die Gesellschaft, die dort herrschte, es so wollte. Nicht zuletzt aus den entsetzlichen Erlebnissen und Begegnungen dieser Jahre schöpfte er die Kraft und die Erfahrung, „Schuld und Sühne“ (wie der übersetzte Originaltitel dieses Romans lautet) zu schreiben, uns die Geschichte von Raskalnikow zu erzählen, den seine Freunde liebten, der keineswegs von vornherein ein Verbrecher war, der aber dennoch zum Doppelmörder wurde, weil ihm das Verbrechen als der einzige Ausweg erschien.

Verlag Neues Leben Berlin, 1966

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