24 August 2021

Öivind Bolstad: Der Profitör


Zur Einführung

 Oivind Bolstad, am 1. Februar 1905 in Vadsö (Norwegen) geboren, war zunächst als kaufmännischer Angestellter tätig, bis er 1930 zu schreiben begann. Er verfaßte eine Reihe von Hörspielen, denen 1938 das Schauspiel "Patrioten" folgte, das in einem besetzten Norwegen spielt und die Entwicklung der nächsten Jahre schon damals richtig voraussah. Bolstads erster Roman "Die goldenen Fesseln" durfte wegen seines Eintretens für Frieden und Völkerverständigung während des Krieges nicht erscheinen und wurde erst 1945 veröffentlicht. Zwei Jahre später erschien der Roman "Der Profitör", der den Kampf zweier Fronten im Norwegen der Nachkriegszeit schildert: auf der einen Seite die Kriegsgewinnler, die während der faschistischen Okkupation Millionen verdienten und sich jetzt wieder den imperialistischen, neofaschistischen Mächten zur Verfügung stellen - auf der anderen Seite die Arbeiterschaft, die sich von diesen "Wirtschaftsführern" befreien will, auch wenn die eigene versöhnlerische Gewerkschaft zum Kompromiß rät. Der Roman ist ein getreues Spiegelbild der gegenwärtigen Verhältnisse auch in anderen kapitalistischen Ländern, vor allem aber in Westdeutschland. Hier wie dort können wir die Entwicklung der gerade noch entwischten Kriegsverbrecher zu wieder anerkannten Industriekapitänen verfolgen - hier wie dort markieren die rechtsorganisierten Gewerkschaftler Opposition, während sie in Wirklichkeit zu Handlangern einer amerikahörigen Clique geworden sind.

Buchbeginn

Tora Kram war damit beschäftigt, für die Festtafel am Abend Blumen zu ordnen. Das war eine Tätigkeit, der sie sich sonst mit großer Freude hingab. Sie liebte es, mit fertigen Farben der Natur zu hantieren, und sie liebte es, die Menschen ihre Kombinationsgabe rühmen zu hören. Blumen an sich liebte sie nicht, aber es machte ihr Freude, wenn die Menschen glaubten, sie habe sie gern. Sie liebte auch Bücher in großen Regalen, las aber selten darin. Im übrigen las sie viel, Zeitungen und Magazine mit vielen Bildern. Sie besaß einen anschlägigen Kopf von seichtem Wissen, dazu eine nüchterne Lebensauffassung. Sie haßte müßige Stunden, aber Pflichten kamen ihr aufdringlich vor. Für tatkräftige starke Männer hingegen schwärmte sie mit primitiver Lust. Ihre Stellung im Dasein war einfach und klar. Sie war selber ein Blumenarrangement, aus den fertigen Farben der Natur ein für allemal zusammengestellt und an Ort und Stelle gesetzt. Ibsens Mann mit dem Gießlöffel würde schwerlich etwas Wesentliches aus ihr machen, weder im Guten noch im Bösen...

Verlag der Nation, 1953
Roman für alle Nr. 26
Aus dem Norwegischen von Elsa Jacobsen

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