Jaroslav Hasek, aus bürgerlicher Wohlanständigkeit ausgebrochener trinkfreudiger Bohemien, engagierter Kämpfer gegen die Herrschaft der Habsburger, mittelloser Schriftsteller und Journalist mit ungewöhnlich bewegtem Lebenslauf, gelangte wie sein gleichaltriger Prager Mitbürger Franz Kafka erst nach seinem frühen Tod zu literarischem Weltruhm. Sein unvollendet gebliebener Antikriegsroman „Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk“, von der bürgerlichen tschechischen Literaturkritik zunächst ignoriert, erwies sich als eine der wenigen großen Satiren des 20. Jahrhunderts, ihr plebejischer Titelheld, der durch passive Resistenz eine ihm nicht gewogene Obrigkeit mattzusetzen trachtet, als eine wahrhaft unsterbliche Gestalt.
Haseks Einfallsreichtum, Originalität und satirische Treffsicherheit bezeugen auch die mehr als 1200 Kurzgeschichten, von denen zu seinen Lebzeiten nur ein Teil in Zeitungen, Zeitschriften und Sammelbänden erschien. Vergnüglich zu lesen, bilden sie in ihrer Gesamtheit ein vielfarbiges Kaleidoskop, in dem typische Aspekte des Prager Lebens im letzten Jahrzehnt der k. u. k. Monarchie und in den ersten Jahren der Tschechoslowakischen Republik sichtbar werden. Die Helden dieser Geschichten sind gewitzte Lausbuben, verknöcherte Gymnasialprofessoren und vertrottelte Bürokraten, devote oder wild gewordene Spießbürger, findige Journalisten, Sonderlinge aller Art und immer wieder respektlose Bohemiens mit leerem Portemonnaie, die – wie Hasek selbst – die Prager Weinstuben und Bierkneipen bevölkerten. Aus all diesen Humoresken und Grotesken spricht die Lust an der Verspottung und Bloßstellung fossiler Herrschaftsformen und Denkweisen, zugleich aber auch Sympathie für die Rebellen, die sich mit List und Witz gegen angemaßte Autorität und kleinbürgerliche Autoritätsgläubigkeit zur Wehr setzen.
Aufbau-Verlag Berlin und Weimar 1978
Ausgewählt und aus dem Tschechischen übersetzt von Gustav Just
bb-Reihe Nr. 409
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