06 Januar 2022

Richmond: Szenen aus dem Leben eines Bow Street Runners. Der Lebensweg eines englischen Detektivs

Ein Leben voller Abenteuer beginnt, als der junge Tom Richmond gemeinsam mit der schönen Anne dem allzu strengen Elternhaus entflieht. Als Schauspieler eines Wandertheaters erfahren sie die Romantik einer von Zwängen freien Existenz. Sie solidarisieren sich mit Zigeunern und lassen sich in Kumpanei mit Dieben ein. Aber auch die Kehrseite der Ungebundenheit lernt das Paar kennen: Von Halsabschneidern betrogen, erleidet es Hunger, Kälte und Krankheit - Strapazen, die das Mädchen schließlich mit dem Leben bezahlt und Tom mit Trauer und Gewissensbissen.
Aus dieser harten Schule geht er mit einem geschärften Blick auf die Verhältnisse in England zu Beginn des 19. Jahrhunderts hervor. Lebenstüchtigkeit und gesunder Menschenverstand verdrängen blinde Vertrauensseligkeit. Er hat Erfahrungen gesammelt, die ihn zu einem der fähigsten Bow Street Runner werden lassen. Richmond vertraut seinem Spürsinn, seiner Intuition und seinem unbeirrbaren Glauben an Gerechtigkeit, wenn er schier unlösbare Kriminalfälle anpackt. Hartnäckig verfolgt er Verbrecher, die sich durch Mord, Kidnapping, Mißhandlung, Leichenfledderei, Geldfälschung schuldig gemacht haben. Und der Bow Street Runner fängt den Täter - mag der noch so kaltblütig und verschlagen agieren.

Die "Scenes in the Life a Bow Street Runner" erschienen 1827 in England, geschrieben von einem Mann, dessen Identität bis heute nicht geklärt werden konnte. Mehrere Schriftsteller und Publizisten gerieten in den "Verdacht" der Urheberschaft. Oder stammte der Verfasser aus den Reihen der Runner selbst? Auf jeden Fall war Richmond ein Sympathisant dieser Polizeitruppe, deren Initiator der englische Schriftsteller Henry Fielding ist.
Seit 1748 als Friedensrichter tätig, galt Fieldings Wirken der Rechtssicherheit und Kriminalitätsbekämpfung. Mitte des 18. Jahrhunderts, als London sich anschickte, Zentrum eines Weltreiches zu werden, hatte es den traurigen Ruhm erlangt, die Stadt mit der höchsten Verbrechensrate in Europa zu sein. Die Unzulänglichkeit der Rechtsprechung, die Käuflichkeit von Beamten und Konstablern öffneten dem heimlichen und offenen Gesetzesbruch Tür und Tor. Fielding veröffentlichte Schriften über die Ursachen der Straftaten, organisierte die Londoner Polizei neu.
Nach Fieldings Tod führte sein Halbbruder John das Werk fort. So setzte er regelmäßige Polizeistreifen auch außerhalb der Bow Street, in der sich die Zentrale der Runner befand, durch. Die Runner wurden die Elite-Polizei Englands und trugen wesentlich zu einer Eindämmung des Verbrechens bei. Tom Richmond, der Held des vorliegenden Romans, war einer von ihnen.

Buchbeginn
Ich muß gewiß von vornherein für ein aufregendes, wild dahinstürmendes Leben bestimmt gewesen sein - jedenfalls war ich, soweit ich mich zurückerinnere, immer in verworrene Situationen voller Unheil verwickelt.
Aus einer Jungenlaune (ich war damals ungefähr zwölf, wenn ich mich auch nicht aufs Jahr festlegen kann) hatte ich mein Herz an das Nest eines Goldfinkenpaars gehängt, das sich ein prächtig von Apfelblüten übersätes Spalier im Nachbarsgarten zum Quartier erkoren hatte. Zur großen Freude der alten Dame, der dieser Garten gehörte, nisteten die Goldfinken seit einigen Jahren ungestört in dem Spalier...

Verlag Das Neue Berlin, 1. Auflage 1989
Aus dem Englischen von Alice und Karl Heinz Berger
Mit einem Nachwort von Klaus Walther
Illustrationen von Günter Lück

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