03 April 2022

Bruno Kress: Erkundungen - 27 isländische Erzähler

Vielleicht hat Islands großer Schriftsteller Halldór Laxness, Nobel- und Weltfriedenspreisträger, nicht übertrieben, als er voller Stolz erklärte, auf jedem isländischen Hof gebe es einen Dichter. Denn immerhin gehören dem isländischen Schriftstellerverband 220 eingeschriebene Mitglieder an - eine imponierende Zahl, setzt man sie ins Verhältnis zu den 220.000 Einwohnern der nordatlantischen Inselrepublik. Tatsache ist jedenfalls, daß die isländische Literatur auf eine sehr lange und fruchtbare Tradition zurückblicken kann und mit den berühmten Sagas schon im Mittelalter Prosawerke hervorbrachte, die für die damalige Zeit eine beispiellose künstlerische Leistung darstellten und auch im Vergleich mit modernen Erzählungen ehrenvoll bestehen.

Dieser literarischen Überlieferung mag es zuzuschreiben sein, daß bis in unsere Tage das Genre der Erzählung von vielen isländischen Autoren bevorzugt wird. Die in der Anthologie zusammengestellten 27 Texte, überwiegend während der letzten 20 Jahre veröffentlicht, vermitteln davon einen reichhaltigen Eindruck. Sie widerspiegeln Lebensweise und Denkhaltung eines kleinen Volkes, das von ungewöhnlich starker Spannung zwischen geschichtsbewußter bäuerlicher Traditionspflege und den neuen Ansprüchen einer zunehmend urbanisierten Bevölkerung geprägt wird. Daraus erklären sich die Kontraste der Erzählungen, in denen Ehe- und Liebeskonflikte von Stadtbewohnern, das harte Dasein des Bauern und Fischers, die milieubedingte enge Beziehung zwischen Mensch und Natur geschildert werden. Sage, Mystik und Aberglaube bilden einen weiteren Themenkreis. Auch er gehört zum reizvollen Gesamtbild dieser herben, mitunter exotisch anmutenden kurzen Prosa eines Landes, dessen Literatur - mit Ausnahme von Laxness' Romanen - bisher nur sporadisch in der DDR verlegt wurde.

Verlag Volk und Welt Berlin, 1. Auflage 1980
Aus dem Isländischen von Bruno Kress, Hartmut Mittelstädt, Ernst Walter
Mit einem Nachwort von Bruno Kress
 

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