
Er war ein Magier unter den Dichtern, und obwohl er vor mehr als 150 Jahren lebte, finden seine Bücher bis heute immer wieder neue Leser in aller Welt. Erstaunlich ist schon die Vielfalt seiner Begabungen: Der ursprünglich zum Juristen ausgebildete Ernst Theodor Wilhelm Hoffmann – er nannte sich später Ernst Theodor Amadeus, weil er Mozart verehrte, wurde als Schriftsteller, als Musiker und als Zeichner und Maler bekannt. Zeitweilig arbeitete er als Komponist, als Dirigent, als Musiklehrer, als Musikkritiker, ja sogar als Dekorationsmaler, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Das Schreiben wurde schließlich zu seiner Hauptbeschäftigung. Am 24.1.1776 war er in Königsberg (heute Kaliningrad) geboren; wegen der Scheidung der Eltern wuchs er im Hause der Großeltern mütterlicherseits auf. Ihrem Einfluß ist es wohl zuzuschreiben, daß er die Rechte studierte. Lange Zeit hatte er in seiner Tätigkeit bei Gericht Gelegenheit, die Lebensverhältnisse im damaligen Preußen kennenzulernen. Nach dem Einmarsch der Truppen Napoleons verlor E.T.A. Hoffmann seine Stellung. Seine künstlerischen Neigungen, vor allem seine innige Liebe zur Musik, wurden nun sein ungewisser Broterwerb: Im Alter von 32 Jahren begann er 1808 am Theater in Bamberg als Kapellmeister. 1813 war er Kapellmeister in Leipzig. Nach dem Sturz der napoleonischen Fremdherrschaft nahm er seine Tätigkeit als Beamter im Staatsdienst wieder auf und lebte in Berlin. Es waren vor allem seine Erlebnisse als Musiker und Künstler, die ihn zum Schreiben führten. Das Thema seiner Erzählungen sie erschienen vorwiegend in den Sammlungen »Phantasiestücke nach Callots Manier« (1814/15). »Nachtstücke« (1816/17) und »Serapionsbrüder« (1819/21) – ist der grundsätzliche Konflikt im Leben des Dichters: Was er in seinem Juristenberuf und Alltag beobachtete und auch am eigenen Leibe erfuhr, erfüllte ihn mit tiefem Mißbehagen – die hochmütig-bornierte Oberschicht und im Gegensatz dazu die selbstgefällige Beschränktheit und Kunstfeindlichkeit der kleinstädtischen Spießbürger, die vor der Obrigkeit buckelten. E.T.A. Hoffmann ersehnte sich eine Welt, in der sich der Mensch wie der Künstler frei entfalten und sein Glück finden konnte. Und so schuf er sich zu der Wirklichkeit, die er in seinen Geschichten äußerst kritisch darstellte und mit jenen mißliebigen Figuren bevölkerte, eine zauberische zweite Ebene, ein Reich der Liebe und der Schönheit, in dem Feen und mächtige Geister wohnten und in die Geschicke der Erdenbewohner eingriffen. Menschen, gering geachtet, mit wahren Empfindungen und einem Herzen, das für hohe Ideale schlug, fanden den Weg in dieses wunderbare Traumland der Phantasie, das zugleich die Heimstatt der Künste war. Wer aber den Sinn des Daseins im Gelderwerb und einem fragwürdigen Erfolg innerhalb der damaligen Ordnung sah, dem blieb dieses Arkadien verschlossen. E.T.A. Hoffmann starb 1822. Sein Werk hat viele Schriftsteller, so zum Beispiel Edgar Allan Poe, in ihrem Schaffen beeinflußt. Seine dichterischen Erfindungen hatten ihn so berühmt gemacht, daß sogar eine Oper über ihn entstand, »Hoffmanns Erzählungen« von Jacques Offenbach (1881). Viele sahen in dem Dichter nur den originellen Berliner Kneipenbesucher, der so angenehm gruselige Geschichten zu schreiben wußte. Doch wie im Märchen vom »Goldenen Topfe« war er in Wahrheit ein großer Zauberer.
BuchanfangWas Felix und Christlieb erlebtenDas fremde KindFelix und Christlieb waren in aller Frühe nach dem Walde gelaufen. Die Mutter hatte es ihnen eingeschärft, ja recht bald wiederzukommen, weil sie nun viel mehr in der Stube sitzen und viel mehr schreiben und lesen müßten als sonst, damit sie sich nicht gar zu sehr zu schämen brauchten vor dem Hofmeister, der nun nächstens kommen werde, deshalb sprach Felix: »Laß uns nun das Stündchen über, das wir draußen bleiben dürfen, recht tüchtig springen und laufen!« Sie begannen auch gleich, sich als Hund und Häschen herumzujagen, aber so wie dieses Spiel erregten auch alle übrigen Spiele, die sie anfingen, nach wenigen Sekunden ihnen nur Überdruß und Langeweile. Sie wußten selbst gar nicht, wie es denn nur kam, daß ihnen gerade heute tausend ärgerliches Zeug geschehen mußte. Bald flatterte Felixens Mütze, vom Winde getrieben, ins Gebüsch, bald strauchelte er und fiel auf die Nase im besten Rennen, bald blieb Christlieb mit den Kleidern hängen am Dornstrauch oder stieß sich den Fuß am spitzen Stein, daß sie laut aufschreien mußte. Sie gaben bald alles Spielen auf und schlichen mißmutig durch den Wald.
»Wir wollen nur in die Stube kriechen«, sprach Felix, warf sich aber, statt weiterzugehen, in den Schatten ....
Inhalt:Was Felix und Christlieb erlebten ...... 5
Das Märchen von der harten Nuß ...... 27
Der goldne Topf ...... 47
Worterklärungen ...... 158
Quellennachweis ...... 166
Illustrationen von Barbara Schumann
Der Kinderbuchverlag, Berlin
Kleine Bibliothek
1. Auflage 1987
2. Auflage 1988
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Wichtiger Hinweis
Seit dem 25. Mai 2018 gilt auch in Deutschland die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO).
Mit der Abgabe eines Kommentars erklärt Ihr euch einverstanden, dass personenbezogene Daten (z.B. IP-Adresse, Standort des Logins etc.) eventuell abgespeichert und für Statistiken von Google weiterverarbeitet werden.
Beim Absenden eines Kommentars für weitere Benachrichtigungen auf Folgekommentare erklärt ihr euch ebenfalls einverstanden, dass personenbezogene Daten (z.B. IP-Adresse, Standort des Logins etc.) abgespeichert werden.