Bücher und Schriftsteller, die in der DDR gelesen wurden. Schaut bitte nicht nur danach, ob hier jeden Tag Beiträge auflaufen, nutzt diesen Blog auch wie ein Lexikon. Er ist ein Langzeitprojekt, da ist es sicherlich verständlich, wenn zwischendurch immer mal wieder pausiert wird. Sei es, um nicht die Lust daran zu verlieren, aber auch, weil die Beiträge auch regelmäßig vorbereitet werden müssen. Wir wünschen Euch viel Spaß beim Stöbern und Erinnern oder neu entdecken.
11 Mai 2023
Jean Villain: Meine Freundin Marianne
"Ich weiß, welchen Rang ich ihm damit zuerkenne", betont Arnold Zweig in seinem Vorwort zu den Reportagen Jean Villains, indem er diesen Journalisten neben Egon Erwin Kisch und L. S. Mercier, zwei Klassiker der literarischen Reportage, stellt. Tatsächlich fesselt Jean Villain vom ersten Wort an, mit dem er uns mit unserem französischen Nachbarn bekannt macht, hineinführt in das Leben des Arbeiters François, der Schriftstellerin Dominique, des Algeriers Ali, in das Leben der Winzer und der Börsenspekulanten, der Dirnen und der Spieler, streikender Arbeiter und aufbegehrender Patrioten. Von den unwirtlichen Pyrenäentälern des Zwergstaates Andorra in die Hallen der Renault-Werke, aus dem Algeriergetto Marseilles in die Spielhölle von Monte Carlo, von den Schaluppen der Seineschiffer mitten hinein in das Tosen der Weltstadt Paris folgt der Leser dem Autor mit unverminderter Spannung.
Buchanfang:
EIN WEGWEISER: JEAN VILLAIN
Man weiß nie, mit wem einen das Gewebe des Lebens zusammenführt und daß sich als Liebhaber der französischen Schutzpatronin Marianne entpuppen wird, wer zunächst einer ganz anderen Göttin zu dienen schien.
In Zürich, Sommer 1951, bei meinem damals dort studierenden Sohn, lernte ich einen jungen Schriftsteller kennen, der im Begriffe war, sich den neuen Staat Israel anzuschauen. Ein sympathischer Bursche, dachte ich, breitschultrig, klaräugig, mit gutem Sinn für Wirklichkeit, für das unter der Haut pulsierende Blut. Ihn an unsere wenigen Gesinnungsfreunde zu empfehlen, die sich um Verständigung zwischen den mir wohlbekannten Machthabern und den Überresten der arabischen Grundbevölkerung bemühten, schien aussichtsreich. "Ich freue mich, Ihre Bekanntschaft gemacht zu haben", sagte ich beim Abschied und drückte ihm die Hand.
Als später Reportagen von Jean Villain in der Weltbühne erschienen, horchte ich auf. Nicht über den Mittleren Osten schrieb er damals, sondern über Frankreich und seine Söhne d'outre mer, die aus den französischen Besitzungen Nordafrikas ins "Mutterland" übergesiedelt waren und jene gedrückte und armselige Bevölkerung bildeten, mit der ich selber seit 1933 in Marseille und Paris gelegentlichen oberflächlichen Kontakt gewonnen hatte. Nun, Jean Villains Reportagen ließen alles Zufällige und jede Oberflächlichkeit völlig vermissen.
Inhalt:
Ein Wegweiser: Jean Villain, von Arnold Zweig .....5
Marianne und ihre Landsleute
Dominique kam nicht zum Rendez-vous .....9
François geht auf Wohnungssuche .....19
Die Wohnmaschine .....29
Am Seil .....37
Warum die Fischfangreportage nicht geschrieben wurde .....48
Wasserstraßen versanden .....58
Wettrennen mit dem Kilowatt .....68
Das Rätsel der Käsesphinx .....76
Kohle für Napoleon .....83
Rundgang bei Renault .....96
Wein, Cognac und Pfeifen
Die drei Aspekte eines Boulevards .....110
Im Weinberg des Herrn .....123
Weshalb Libouriac auf die Straße ging .....136
Cognac aus Cognac .....147
"A Real British Bruyère Pipe..." .....158
Die Kurse fallen
Unilever seift ein .....170
Pariser Börse: Sinkende Tendenz .....176
Aquí Radio Andorra! .....190
Spielplätze der Reichen
Agas und Gagas am grünen Tische 202
Entdeckung der Monegassen 213
Badefreuden in Palm Beach 220
"Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land?" .....227
Die Söhne des Duars
"Gott hat es gewollt!" .....238
Die Kasba von Marseille .....248
Kein Tanz auf der "Place de la Nation" .....259
Marianne und die ungebetenen Gäste
Der Salonwagen im Walde .....272
Vor Toulon liegt die Kriegsmarine .....280
Bürger Schulze in Paris .....290
Port Winston .....297
Blumen für Jeanne d'Arc .....305
Kongress-Verlag, Berlin
Herausgegeben in Zusammenarbeit mit VERLAG DER WELTBUHNE v. Ossietzky & Co. Berlin
1. Auflage 1956
Schutzumschlag, Einbandvignette und Textillustrationen: Erwin Wagner
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