Ein Häuflein wagemutiger Männer trennt sich von der Schar der Mittelamerika durchstreifenden spanischen Eroberer, um den ehrgeizigsten aller Erkundungszüge zu unternehmen: jene schmale Stelle zu finden, an der die zwei Weltmeere – Atlantik und Pazifik – ineinanderfließen. Vergeblich hatte bereits Kolumbus die Durchfahrt gesucht, und zu einem Abenteuer wird auch der Vorstoß dieser Männer. In gespenstischen Nächten überkommt sie die Furcht, bis ans Ende der Zeiten dieses gewaltige, einsame Paradies der Seen und hohen Vulkane durchwandern zu müssen, doch dann treffen sie auf seltsame Wesen in Menschengestalt. Sie sind im Reich der Haifisch-Indianer, die ihre Götter unter Zuckungen und wilden Verrenkungen gestikulierend beschwören. Eine farbige, phantastische Welt tut sich vor ihnen auf, der sie mit dem aus Europa mitgebrachten gottfeindlichen Kult des „Bösen Schächers“ zu entsprechen versuchen. Noch ahnen sie nicht, welche Kämpfe ihnen mit den Kräften der Neuen Welt, jedoch auch mit den Feinden aus dem eigenen Lager bevorstehen.
In seinem letzten großen Roman schildert Miguel Angel Asturias Episoden aus der Erschließung Mittelamerikas durch die Spanier, evoziert er eine Zeit tiefgreifender Umbrüche in Bildern von dichterischer Fülle und Schönheit.
Der Autor
Miguel Angel Asturias wurde 1899 in Guatemalas Hauptstadt geboren, studierte Jura und später in Paris Geschichte und Kultur der alten indianischen Zivilisationen. Sein literarisches Debüt gab er 1929 mit einem Gedichtband, dem 1930 die Legenden aus Guatemala folgten. Ein zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossener gesellschaftskritischer Roman, Der Herr Präsident, konnte erst 1946 erscheinen und begründete seinen schriftstellerischen Ruf, den der Roman Die Maismänner (1949) noch festigte. Mit der Trilogie Sturm (1949), Der grüne Papst (1954) und Die Augen der Begrabenen (1960) sowie dem Erzählungsband Weekend in Guatemala (1956) wurde der Autor auch in der DDR bekannt. Weitere Werke: Eine gewisse Mulattin (1963), Lida Sals Spiegel (1967), Der böse Schächer (1969). Neben vielen anderen Ehrungen wurde Asturias 1967 der Nobelpreis für Literatur zuteil. Das Œuvre des 1974 in Paris verstorbenen Guatemalteken zählt zu den reifen Leistungen der modernen lateinamerikanischen Prosa.
Buchanfang
Am Ende des Sommers, im Sturm der welken Blätter, die der Nordwind fortreißt, an den Steinen zermahlt und zu Staub verreibt, ein Laubgewirr mit den Bewegungen eines Skorpions, der sich im Feuer verzehrt, rollt sich jedes durstgepeinigte Blatt um seinen Stiel, bis es zerbricht und stirbt; am Ende des Sommers, wenn die Loderasche des Sonnenlichts verglimmt und das Brennen der Eiseskälte beginnt, verzehren sich ausgedorrte Ebenen und Berge in Bildern ockerfarbener, hochgelber, zartgelber, bräunlicher Fernen; am Ende des Sommers grünt nur die hohe Gebirgskette weiter, wie eine Wolke dahinschwebend, die mit schwerelosen Kiefern, fliegenden Zypressen und Gipfeln besät ist, von deren Erhabenheit kein ewiger Schnee kündet, denn während im Süden das Schmelzwasser von den verschneiten Andenhöhen in Kaskaden aus funkelndem Wasser und himmelblauem Schaum herabströmt, zerschmilzt hier die smaragdene Schneedecke zu einem Frühling von unauslöschlichem Grün, dem Grün der Wälder, Grün der prophetischen Vögel, Grün des Gewürms, Grün der Gewässer und Grün der Steine.
Die Bergkette der Grünen Anden reicht so weit, daß man alt werden kann, ohne sie ganz durchwandert zu haben; sie grenzt an Regionen, die unterirdische Flüsse in dröhnenden Grotten zernagen, mit schwefelatmenden Vulkanen und lauen Hügeln, in denen die Familien der Vornehmen einen Teil des Jahres wohnen, um den Winden zu entfliehen, welche die Lunge auskühlen, und auf vielen Meilen ist sie, die Ebene durchziehend, den nährenden Orten benachbart, die dem Mund der Küste Ernten des Hochlandes und der Tropen liefern; jenseits der Nebel und Schwemmgebiete stößt sie auf die zeitlose Welt des Lacandón
Schutzumschlag: Rainer Flieger
Aus dem Spanischen von Ulrich Kunzmann
Titel der Originalausgabe: Maladrón
Mit einem Nachwort und Anmerkungen von Ulrich Kunzmann
Verlag Volk und Welt, Berlin
1. Auflage 1980
Als Lizenz im Buchclub 65
1. Auflage 1981
Bücher und Schriftsteller, die in der DDR gelesen wurden. Schaut bitte nicht nur danach, ob hier jeden Tag Beiträge auflaufen, nutzt diesen Blog auch wie ein Lexikon. Er ist ein Langzeitprojekt, da ist es sicherlich verständlich, wenn zwischendurch immer mal wieder pausiert wird. Sei es, um nicht die Lust daran zu verlieren, aber auch, weil die Beiträge auch regelmäßig vorbereitet werden müssen. Wir wünschen Euch viel Spaß beim Stöbern und Erinnern oder neu entdecken.
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