18 Juli 2023

Christoph Funke, Dieter Kranz: Angelika Domröse

Wichtigste Quelle dieser Biographie sind Gespräche mit Angelica Domröse, die die Autoren im Dezember 1974 und Januar 1975 mit der Schauspielerin führten. Die eingefügten Selbstzeugnisse wurden unverändert den Tonbandprotokollen dieser Gespräche entnommen. Die Autoren danken Angelica Domröse für die rückhaltlose Offenheit und das leidenschaftliche Engagement, mit denen sie sich allen Fragen stellte.

Jede neu neue Begegnung mit Angelica Domröse ist eine Überraschung. Die Ergebnisse ihrer schauspielerischen Arbeit hinterlassen bei ihr, auch wenn sie sehr gut waren, Unruhe. Sie ist eine Suchende, sie will keine Bequemlichkeit und keine Zufriedenheit, und wenn sie gezeigt hat, daß sie irgendeine Frauengestalt besonders einprägsam verkörpern kann, wird sie mißtrauisch. War das schon das Ziel, war das schon die Aufgabe, die ihrer Gestaltungskraft alles abverlangte?
Diese Unruhe drückt die hohe Forderung der Schauspielerin an sich selbst aus, sie birgt aber auch Ungeduld und Unzufriedenheit. Mit staunenswerter Folgerichtigkeit ist Angelica Domröse allen Festlegungen ausgewichen. Sie will das Erarbeitete immer wieder in Frage stellen, sie ist hungrig auf Aufgaben, die Neues von ihr verlangen, sie fühlt sich auf ausgetretenen Pfaden nicht wohl. Sicher findet sich in dieser Haltung die rasche Lebhaftigkeit ihres Charakters wieder, ihr sprühendes Temperament, das auch vor waghalsigen Unternehmungen – etwa auf artistisch-zirzensischem Gebiet – nicht zurückschreckt. Und doch wäre es eine unzulässige Vereinfachung, wollte man Angelica Domröse etwa auf den »quirligen Wirbelwind« festlegen. Nein, ihre Vitalität hat Wurzeln in einer Energie, einem Ernst, einem leidenschaftlichen Mühen, denen jede Oberflächlichkeit fern ist. Und das bedeutet viel, gerade weil man es der Schauspielerin oft einfach machen wollte, weil sie mit weit weniger Anstrengung den Weg zur Popularität hätte gehen können aber das wäre nicht ihr Weg gewesen.
Burschikosität, Witz, Lebensfreude fallen wohl zunächst besonders ins Auge, machen aber eben nicht die ganze Angelica Domröse aus. Auch ihre Leichtigkeit ist hart erarbeitet, und hinter ihrem fröhlichen Draufgängertum stecken Klugheit und Ernst, gründliches Überlegen, sorgfältiges Abwägen. Im Jahre 1974 gab sich ein Reporter der Süddeutschen Zeitung alle nur erdenkliche Mühe, die Schauspielerin zum »Star« zu machen, sie herauszuheben aus der Wirklichkeit unserer Republik, ihr ein besonderes Leben nachzuweisen – resignierend mußte er feststellen, daß »der Domröse, die eine Schwäche für alte Möbel und alte Häuser hat, eine Mietwohnung im Ostberliner Stadtteil Niederschönhausen genügt«.  ......

Henschelverlag Kunst und Gesellschaft, Berlin

1. Auflage 1976  

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