Wolfgang Koeppen (geb. 1906 in Greifswald) wird auf der Literaturszene der BRD als Einzelgänger teils beschrien, teils bewundert. Die Erzählung „Jugend“ ist seit seinen gewichtigen Romanen „Tauben im Gras“ (1951), „Das Treibhaus“ (1953), „Der Tod in Rom“ (1954) und einigen literarischen Reisebüchern Koeppens erste größere Arbeit nach langer Zeit des Schweigens.
Eine muffige Kleinstadt, in der nicht nur der Mörtel von den Fassaden bröckelt, untertänig beschränkte Beamtenmoral, eine auf sturen Drill orientierte Erziehung, die Novemberrevolution (als Abenteuer und Keim einer alternativen Zukunft erfahren), die Kintopptraumwelt und expressionistische Literatur – diesen Taumel erregender Eindrücke gestaltet Koeppen als einen Balanceakt zwischen Traum und Wirklichkeit, zwischen Hoffnung und Angst.
Hinter dem Titel „Jugend“ verbirgt sich kein autobiographischer Bericht. Das „Ich“ der Erzählung spricht nicht für Koeppen allein, es spricht für die Jugend seiner Generation. „Ich glaubte damals aufzuwachen, aber die Wahrheit ist wohl, daß mein Schlaf sich in einem Traum verlor.“ Dieser Traum ist ein Alptraum, wenn er sich erinnert, und eine düstere Ahnung von „großen Untergängen, die kommen sollten“.
Die Ideale und Hoffnungen der Jugend blieben unerfüllt, die Untergänge kamen. In der Zeit des Faschismus wie in der Zeit des kalten Krieges verstummte Koeppen zeitweise. Aber immer wieder meldet sich der Humanist und Mahner mit bedeutenden literarischen Leistungen zu Wort. Die Erzählung „Jugend“ ist ein Dokument der aufbrechenden bürgerlichen Jugend unseres Jahrhunderts, ihres bedingungslosen Hoffens über die Zeitläufe und zugleich ein Beispiel hoher Sprachkunst.
Verlag Volk und Welt Berlin
Spektrum Nr. 117
1. Auflage 1978
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